Silbenweise

Ich atme die Herbstluft. Ein paar wenige Sträucher kommen erst jetzt zu voller Blüte. Ich hole mir eine Dolde rosafarbener Hortensien herein und einen Bund tiefvioletter Blüten, deren Namen ich nicht kenne. Manchmal finde ich eine Tüte Äpfel oder Quitten vor der Haustür. Ein paar Vögel haben bereits begriffen, dass mein Hinterhofgarten eine lohnende Anflugstelle für den Winter sein wird. Sie bevölkern die Teppichstange, trippeln um die Tränke und wenn die Futterglocke leer ist, durchkämmen sie den Rest des Hofs. Gefiederte Miniratten.
Wie ich da vor die Haustür trete, komme ich gleichzeitig aus einem tiefen Loch, das nur zwei oder drei Wochen lang war und sich doch wie eine trostlose Unendlichkeit anfühlte. Wer immer im Hier und Jetzt lebt, dem wird jeder Tag zur Ewigkeit. Ich zittere noch ein bisschen. Außerdem habe ich erhöhten Taschentuchverbrauch und brühe mir einen Bronchialtee nach dem anderen auf. Endlich habe ich wieder etwas Zeit zu lesen. Ich finde ein schwedisches Buch und bin entzückt, wie viel ich noch verstehe. Dabei sollte ich eigentlich Italienisch lernen. Ich skizziere Schirme. Ich habe ein bisschen Angst, die Löcher in meinem Leben könnten mehr und tiefer werden. Ich erkundige mich nach Klaviertransporten. Und fische mein Selbstvertrauen silbenweise unterm Sofa hervor.