Category Archives: Tagebuch

In der Welt sein

Niemand kann unter dem Zustand der Welt und der Leute leiden, und dabei keinen Schaden auch an der eigenen Seele nehmen wollen, sagt mir ein alter Mann, mit Teetassen klappernd. Ich lege meinen Kopf an seine Schulter. Ein bisschen emotionaler Selbstmord, das liegt mir wohl. Die Reaktion der Leute auf meine Art, in der Welt zu sein, ist bisweilen ein seelenloser Schnellzug, bestens dafür geeignet.
Der Alte hatte mich ans Meer geführt, vor einigen Tagen, als hätte er gewusst, dass ich dorthin will. Vielleicht, denke ich dann, hatte er nur aufmerksam mein Tagebuch gelesen. Es spielt keine Rolle, denn beides ist gut. Da sitzen wir jedenfalls wieder, in den Dünen, und irgendwann gehe ich weiter, genug Tee, mir ist wieder warm.

Mittags

Mittag und die Grillen zirpen. Zwei Zigarillos und ein Brief nach Paris, der ungewöhnlich lang und flirtatious geraten ist. Flirtatious, warum es dafür kein deutsches Wort gibt, frage ich mich. Ich gehe nach draußen, nehme Nüsse für die Meisen mit. Ich zerbreche mir den Kopf anderer Leute und die Nussschalen unter meinem Schuh. Schließlich entscheide ich mich für eine Kopfschmerztablette und singe in leisen Tönen ein bisschen Wahrheit in die Welt hinaus. Die Wahrheit ist, dass der Frankfurter Yuppie, der Rosenkavalier und der Prinz derselbe sind und die Luft zwischen Genf und Frankfurt nur deshalb so dünn wurde, weil ich den Kopf verloren hatte. Gestern fand ich ihn wieder, bei Michael Bublé. And this old world is a new world and a bold world for me.

Teebeutelfarm

Krähen schreien. Das Rauschen des Regens übertönt das Brutzeln in der Pfanne. Manchmal ist es umgekehrt. Jemand kocht und wie immer ist das ein gutes Gefühl. Zwischendurch grabe ich in feuchter Erde. Auf meinem Schreibtisch wächst eine Teebeutelfarm.

Flipflops

Vor sieben Tagen folgte ein verschwitzter Prinz mir auf den Fersen durch den Wald. Im Schatten, an einem tiefen Quelltopf, hatte er Rast gemacht. Da hatte ich ihn aufgegabelt. Die Farben des Wassers änderten sich mit dem wandernden Tageslicht, wie meine Launen. Das Laub hatte sein unschuldiges Frühlingsgrün verloren, der Prinz seinen Freimut. Ich mochte ihn trotzdem. Er briet mir Fisch und opferte mir halbe Lügen. Ich warf sie mit den Fischresten ins Feuer, zusammen mit einer kleinen Schweizer Eisfahne. Er biss mir in den Nacken und hielt mich fest im Schoß. Nach Morcheln und Rosen roch die Erde und die Kalksteine waren weiß wie Gerippe.
Du bist in Flipflops sehr geländegängig, sagte der Prinz und stolperte.

Fruchtschnitten

Im Kloster werden Tabu und Obszönes im Film behandelt. Wir sehen spanische Filme und essen Fruchtschnitten. Ich lustwandle vom Tor zum Brunnen zur Linde und zurück. Ich schicke einen jungen Mann in den Beichtstuhl und wate in der Donau. Ich lerne ein geschwätziges Teufelchen kennen, das eine schwarze Hochsteckfrisur hat und auf Heideggers Kosten mit mir füßelt. Ich passe zu den Künstlern und küsse vor laufender Kamera Erbeeren und einen fremden, italienischen Mund. Ich trinke tatsächlich keinen Tropfen Wein und verschwinde von der Bildfläche.