Ich überfliege eine Webseite: Tyska Skolan in Stockholm. Karlavägen, am Eck von Humlegården, denke ich wehmütig, kenne ich. Ich präge mir den Namen des Chefs ein und denke, dass er Gift darauf nehmen kann, früher oder später eine Bewerbung von mir auf dem Tisch zu haben, samt einem leidenschaftlichen Anschreiben. Ich will wieder nach Stockholm.
Neulich ging ich, weil die Energie mal wieder über alle Stränge schlug, nachts sprinten. Ein andermal verbrauchte ich einen kompletten Lippenstift in einer Stunde. Und einmal wuchsen mir Schmetterlingsflügel und ein Fischschwanz. Fräulein Wolpertinger, das beim Flanieren und Poussieren nie recht weiß, welches Körperteil ihr gehört und welches nicht.
Die Sonne umschleicht mich aufs Neue. Überall zirpen Grillen, als wollten sie den Sommer beweisen. Der Duft eines korsischen Krauts steigt mir in die Nase. Manchmal fühle ich mich wie beim Lernen einer seltenen Kampfkunst, die in Wirklichkeit niemand mehr beherrscht.
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In eigener Sache
Das Tagebuch ist ein Monolog von den Dächern. Gespräch geht anders. Also komm nicht auf die Idee und fühl Dich angesprochen, wie Du Dich angesprochen fühlen würdest, wenn ich Dir was ins Ohr flüsterte. Wirf Tomaten hoch oder Rosen oder tuntiges Sushi, meinetwegen. Aber schlag mir nicht ins Gesicht, wenn Du mich im Café um die Ecke triffst. Und nein, weine auch nicht. Hier oben ist Schauspiel, da unten ist Welt. Du würdest sicher keinen vom Theater ohrfeigen, den Du im Café triffst, weil Dir gestern das Stück nicht behagt hat. Du würdest sicher nicht weinen, weil ein Schauspieler etwas vom Dach schreit.
Aber, und Du ahnst es schon, ich bediene hier die Hamletlist. Schauspiel, Worttheater, das seine Masken dem Publikum in feinem Wachs abmodelliert hat. Du erschrickst vielleicht, wenn Du Dich siehst. Wer so schamlos spielt, muss ja am Ende sterben, denkst Du vielleicht. Aber eigentlich weißt Du, dass das Leben keine Tragödie ist. Und wenn mir gelungen ist, Dir von Dir selbst zu erzählen, ist das keine schlechte Sache.
Planken und Klampen
Ein Akt als Minnesängerin im Nachtgewand. Dann einer als Mondvogel mit Weinglas. Schließlich, und drittens, als soziales Chamäleon im Karorock. Blaues Loungeleder und rosa Cocktails, schöne und hässliche Menschen zwischen den Planken und Klampen des Pier. Und finally, wenn es Sushi zum Frühstück gibt, ist die Welt in Ordnung.
Die Neue
Wenn ich die Wahl zwischen dem Nichts und dem Schmerz hatte, wählte ich immer den Schmerz. Irgendwoher kenne ich diesen Satz und verstehe ihn leider viel zu gut. Trotzdem, denke ich, ist es vielleicht an der Zeit, ein wenig Nichts zu üben. Bald werden die Wahlmöglichkeiten wieder rosiger ausfallen. Geduld, Geduld.
Zumindest, denke ich, kann ich arbeiten. Ich richte mir eine Schreibstube auf dem Balkon ein. Tisch, Stuhl, Sitzkissen, Wasserflasche, Laptop. Die Sonne wandert um mich herum. Nachbarn gehen vorbei und sehen hoch. Ich fühle mich schmal und zaghaft, wie frisch ins Sanatorium eingeliefert, die Neue. Die wenig redet und stattdessen mit den Katzen in der Wiese schmust. Die die Meisen auch im Sommer füttert.
Von Pferden träumen
Lippenstift, sagt der Fotograf, solle ich kaufen, im selben Rot wie das Sofa. Ich kaufe also Lippenstift und eine grüne Tasse, die mich an Gehöfte im Norden Deutschlands denken lässt. Und an Pferde. Von Pferden träumte ich letztens, fällt mir ein. Die Tasse ist so breit, dass ich sie zum Trinken lieber mit zwei Händen halte.
Verliebtheit löse Rauschzustände aus, wie harte Drogen, sagen sie. Das sei jetzt der Entzug. Ich frage mich, ob mit einer ordentlichen Dosis Selbstverliebtheit der Cold Turkey in den Griff zu kriegen sei. Greife einstweilen auf Musik zurück. Radiohead, Wax Tailor und Blockhead gemischt mit allem, was hart ist. Als die neue Droge leicht und schnell einschlägt, blinzle ich, im Aufwind eines neuen Highs, ermutigt und dankbar auf meine extensive Musiksammlung in den roten Regalen hinüber. Solange es Musik in meinem Haushalt gibt, darf es auch idiotische Männer geben. Dass ich bisweilen genauso idiotisch bin, muss ich wohl nicht betonen.