Category Archives: Tagebuch

Schnell und dreckig

Du traust Dich und fasst ein paar Deiner Phantasien zusammen. Dass am Ende etwas herauskommt, das Du bereits kennst, etwas Vertrautes und, wie Du findest, Schönes, macht Dir Freude. Etwas, das Du verschenken kannst und verschenken solltest, solange Du lebst. Dass Du es ins Internet stellst, mag kühn sein, aber wohin sollst Du sonst mit Deinem Überfluss. Gut, Du könntest Bücher schreiben. Aber manchmal muss es schnell und dreckig sein. Manchmal kann’s nicht warten.

Königskinder

Nächte um die Ohren und Klimperringe ums Handgelenk. Sandaletten und Sommerkleider tragen. Den Mann in der Dusche anfassen. Zum Frühstück fahren, auswärts, Sonnenbrillenland. Kutschenmuseum und Schlossmauer. Später Sushi, Kaffee kochen. Genießertage. Noch später die Pagenkopfperücke aufsetzen, sie ist knallrot, mir neckisch den Erdbeerpony aus der Stirn wischen. Die werde ich nachts in Cannstatt tragen. Du erinnerst Dich wortgetreu an Formulierungen aus meinem Tagebuch. Du erinnerst Dich an Augenblicke, die ich längst vergaß. Auch ein Grund Dich zu lieben. Falls man Gründe braucht. Ich lasse mir Geschichten von Polohemden und Olivenbäumchen erzählen, von Foxtrott und Wickeltisch. Ich zupfe mein schwimmbadblaues Kleid zurecht und atme tief. Fast hätte ich schwimmbadblaues Klavier geschrieben. Und die Kirschbäume blühen bald. Ich sollte uns Frühlingskränze flechten oder Sommerkronen. Du bist genauso gerne Königskind wie ich.

Ausklinken

Eigentlich sind seine Augen ein bisschen zu grau für Vergissmeinnicht. Ich werde weiterforschen müssen. Bei Meeraugen ist die Sache ganz klar. Oder bei Kaffeeliköraugen. Oder bei meinen, seegrün, sumpfgrün, moorgrün. Davon kann man schreiben. Aber ein grau verstaubtes Vergissmeinnicht, wie klingt das denn. Kornblume geht auch nicht, die wird innen dunkler statt hell. Aber es macht mir nichts aus, immer wieder schauen zu müssen. Es gehört ein bisschen Rücksichtslosigkeit dazu, trotz eines anspruchsvollen Berufs, einiger Freundschaften und tiefer Verbindungen, im Hintergrund auch irgendwo einer Familie, schreiben zu wollen. Immer wieder musst Du Dich ausklinken, wie sehr es auch irgendwo nach Dir schreit. Aber inzwischen sollte ich es ja können. Nicht auf das Schreien hören, auch nicht auf das eigene, und einfach weitermachen.

Zum Kuckuck

Ein zwanzigminütiger Schlaf als Erfrischung, das kann einen Tag retten. Eine Gehirnwäsche, im positiven Sinn. Manchmal habe ich den Eindruck, der Nachbar altere etwa viermal so schnell wie ich. Wie er in seinem Vertreteranzug zur Garage schlurft und jedesmal grauer wird. Wie er seine Frau anschreit. Ich wässere meinen Farn und bin glücklich, dass der nicht schreit. Stuttgarter Kastanienknopsen, klebrig und prall. Zweiblättriger Blaustern und Vergissmeinnicht. Frappucino mit Vanille und Sahne. Fassadenklettern, in fremde Fenster schauen, ein bisschen zu tief, nicht alles verstehend, was ich sehe. Mich in Vergissmeinnichtaugen gespiegelt finden, frech sein, ein Grenzhüpfer, Wind im Haar und frühlingstoll. Später, nachts. Eine hohe Penisstatue macht noch keinen Schatz, tönt es von nebenan. Was zum Kuckuck, denke ich. Immer wieder Tage, die es verdienen, dass man die Augen aufmacht.

Naschen

Ich träume verbotete Geschichten. Ich gehe von Prüfung zu Prüfung. Ich esse gelegentlich und gelegentlich zu wenig. Ich träume viel zu viel. Ich steige aus dem Wagen, die Sonne ist vor wenigen Minuten aufgegangen, und habe einen tiefsitzenden Ohrwurm, will tanzen. Ich eile die Treppen hinauf und sage: Morgen, Max. Ich zähle Zuckerwürfel. Ich drücke den Kaffeeknopf. Manchmal merke ich erst am Zurücklächeln der Leute, dass ich ein Lächeln auf den Lippen habe. Das Innere meines Kopfes ist eine Szenebar voller schöner Menschen. Ein schwirrender, glitzernder Raum. Beschwipst ohne Alkohol. Ich nutze den Tag, ich pflücke den Mohn, ich nasche vom Honig. Was ich verschwenden kann, verschwende ich.