Category Archives: Tagebuch

Farbbad

In einer Welt ohne Farben würde ich verhungern. Ich lebe von Farben. Vielleicht sollte ich sagen, mit Platon, von der Idee der Farbe. Und der Idee der Hibiskusblüte, der Kornblume, der Rose. Von der Idee des Dufts, des Granatapfels, der Johannisbeere, der Bergamotte, der Erde. Es sind nicht die Wasserlilien, die blühen. Ich blühe. Es blüht mir was. Das passiert zu jeder Jahreszeit.

Vanity Fairy

Es gibt Tage, an denen ich mich strecke und strecke und einfach nicht lang genug bin. Tage, an denen das oberste Regalbrett unerreichbar bleibt. Nennt mich verwöhnt, aber an solchen Tagen werde ich sehr schnell sehr traurig. Wer mal fliegen konnte, will eben nicht auf Stühle klettern. Sorry. Da hilft es dann auch nichts, wenn der Mann, der alle Schlingen und Fallen des Feenwaldes auswendig kennt, versucht, diese zu entschärfen, indem er sich selber hineinschmeißt. Oder wenn fette Pandas vor meinen Augen Kung Fu lernen. Oder wenn der Vater meiner nicht vorhandenen Kinder mir Kirschblütenhonig ums Maul schmiert. Ich bin ein unverschämtes Schmollkind, das sein Bild lieber zerreißt, als damit zu leben, dass ein Schmetterling in der linken oberen Ecke minimal schief geraten ist. Ich trage dasselbe Shirt wie meine dreizehnjährige Schülerin. Ich lese Vanity Fair. Das Buch, nicht die Zeitschrift.

Wiesenwind

Das Fenster weit auf, durch die milde Luft treiben ein paar rote Blätter. Ich halte meine Nase tief in den Kaffeepulverduft. Morgenluft, die eigentlich Mittagsluft ist. Und andere Gerüche. Lipgloss, der Pfirsisch nachmacht, Chlorgeruch im Badetuch. Dunkelgrüner Dschungelduft, wenn ich die Nase in meinen Farn stecke. In der Küche Futtermief und wasabiwürziges Kühlklima. Immer wieder frischer Buchgeruch, manchmal fülliger Weinflor, Aromakondome oder das Dampfen einer korsischen Fischsuppe. Meine Finger riechen nach Laptoptasten, mein Shirt nach mir, mein Haar nach Kopfkissenwolke. Pfannkuchenschwaden wehen über den Balkon. Und Wiesenwind. Seit gestern kenne ich einen blutjungen Priester, der nach Pfefferminze riecht.

Grundwasserbaden

Jedes Mal muss ich mich auf den Grund zurückgraben. Ins Grundwasser vordringen. Bevor Trinkbares fließt. Es ist anstrengend. Aber einer muss die Brunnen ja graben. Die wenigsten wissen, wie gut man sich an diesem Wasser besaufen und berauschen kann. Es wirkt besser als jeder Alk, sanfter als jede Pille, stärker als jeder Schuss. Nicht, dass ich Ahnung davon hätte. Aber es geht mir brilliant, wenn ich Grundwasserbaden war. Später, und langsam setzt die Müdigkeit ein, kommt einer herein und bringt mir Sushi. Die Nachbarn schreien heute zur Abwechslung nicht Zeter und Mordio. Ich gieße mir ein orientalisches Hammambad ein. Was immer es enthält, es riecht gut.

Beuteschema

Ich liebe Haie und Hengste, Kauze und Steppenwölfe, Schöngeister, Schönlinge und Familienväter, kaisertreue Haudegen und linke Socken, Großmäuler, Mimosen, Nerds, Künstler und Konsumenten. Ich habe kein Beuteschema.