Wenn ich kalten Instantkaffee in der Mikrowelle erwärme, etwas Milch zugebe, ist das ein trinkbare Mischung. Gerade so. Warum ich mir das antue, keine Ahnung. Muss am Vollmond liegen. So wie vieles andere. Am Vollmond. Muss erst einer kommen und frischen Kaffee kochen, muss erst kommen und mich wieder weichmassieren. Klar. Zum Glück kommt der bald. Wenn Vollmond vorbei ist, kann ich die Krallen einfahren. Und das tu ich, schnurre wieder, mache Deals, denke an Linz, Tanz und die nötige Zeit zum Schreiben. Zeit für eine Kurzgeschichte, fragt mein virtuoser Freund. Nein, wird eher eine Novelle, sage ich. In einer Novelle, zitiere ich, wird oft ein Konflikt zwischen Ordnung und Chaos beschrieben, was zu einem Normenbruch und Einmaligkeit führt. Sehr gut, ruft er, mehr Novelle. Und empfiehlt mir Durs Grünbein, faselt von Rückenmuskulatur und Dampf und weiß wohl, dass Schädelbasislektionen und südwärts gleitende Finger mich treffen könnten. Da wo der Pfeil neulich steckte, der hingeträumte. Gesättigt dampft der werdende Virtuose schließlich ab. Kleines verrücktes Ding, sagt einer. Schnellding, ein anderer. Oft schon wurde ich Ding genannt. Liebte ich Dich nicht, würde ich Dich hassen, schreibt mir meine beste Freundin. Das trifft mehr als alles andere.
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Scheunentore
Als neues Lifestylegetränk gibt es Chai mit Ingwer und Zitronengras. Exklusive Modekataloge als Teelektüre. Neben der Badewanne das Buch vom Haben und vom Sein. Manchmal chinesische Jungliteraten. Viel zu viel Papier und den eigenen Hintern im Spiegel als Erinnerung herumtragen. Die Lederjacke vom Ledersofa pflücken und durch den Schnee gehen. Ein erträumter Pfeil dicht unter meiner Brust. Wenn der Moment passt: alle Sinne wie Scheunentore offenstehen lassen.
Märchenstunde
Mit allen Sinnen genießen, wenn das nicht so abgedroschen klänge. Ich will hören. Stimmen, Schlagzeugsoli, eine Gitarre und das Quietschen der Flugzeugsitze. Will schmecken. Heiße Schokolade, später Indisch, mit Mango und Guavensaft. Will fühlen. Ein alter Teppich, Sichtbeton, Hände. Will riechen. Ein Moderkeller, ein Ölofen, Ölfinger. Und sehen. Müde Augen, große Bilder, schöne Ohren. Und mehr, so viel mehr, Romane von Eindrücken. Später tagträume ich mir freche Märchenfantasien zusammen. Ich bin natürlich die Prinzessin, die nicht in den Dornen umkommt. Die Prinzessin mit dem grünen Daumen und dem scharfen Schwert. Ich schmeichle die Ranken beiseite, stoße die Türen auf. Ich erklimme Wendeltreppen, schlüpfe in heimliche Kammern. Dort schläft ein männliches Dornröschen. Ich untersuche es genau. Blass wie Schneewittchen, Ebenholzhaar, Prinzgesicht und Zwergennase. Statt seiner Hände sind die meinen kalt. Es hat tatsächlich Schwielen. Die muss es sich, genauso wie den Dreitagebart und die neuen Schuhe, herbeigeträumt haben. Es murmelt im Schlaf. Ich kann die Träume hören, wenn ich nur nah genug hingehe. Wenige Tage darauf kann ich nicht anders und halte einen Vortrag über Synästhesie. Nicht nur mit allen Sinnen genießen, sondern auch noch deren Schnittmengen auskosten. Fräulein Überschwang, Bombastgöre, Ekstasenkind. Im Geflimmer der Klänge baden, die Oberfläche des Geruchs betasten, Farbe schmecken. Du bist falsch verdrahtet, heißt es dann. Frau Holle schneit ein bisschen. Und durch den Märchenwald schleichen Wölfe. Wie immer.
Pfeilhagel
Ein paar Minuten lang versinkt alles im Staccatissimo der Böller. Es werden so viele Feuerwerke auf einmal gezündet, dass der Lärm als zersplitterte Explosion auf uns herabregnet. Überall Funken und Licht. Und ein Pfeilhagel aus Feuerwerksstäbchen. Das Münster verschwindet in Dunst und Rauch. Aber Du hörst es noch. Das große Geläut, womit das neue Jahr beginnt.
Kaviarmaul
Es schneit. Ich weiß, wenn ich ins Warme komme, verwandelt sich der Schnee in meinem Haar zu Perlenschmuck. Und ich habe es mal wieder geschafft. Die Tage wachsen ineinander. Ich komme wie frisch aus dem Ei gepellt aus der Badewanne, wo ich ein abendliches Frühstück eingenommen habe. Ich räkle mich. Dufte, schwimme in Annehmlichkeiten, verliere mich ein wenig darin. Ich suche ein Bild dafür und denke, dass mir der Kaviar eigentlich links und rechts aus dem Maul quellen müsste. Der Januar lugt schon geheimnisvoll über den Jahresrand. Dich kriege ich, Freundchen. Umgeben von teurer Technik, umspült von Musik, blättere ich mein Album anregender Gedanken auf. Es gibt Menschen, die ich benutzen kann wie kleine bunte Pillen. Nach wenigen Kopfkinoszenen bin ich schon high. Der Kaffee tut ein Übriges. Ich will heute Nacht tanzen oder schreiben, denke ich. Neun von zehn Malen schreibe ich dann.