Es ist August. Vielleicht mein liebster Monat. Eine Starenarmee durchkämmt den Nachbarsgarten. Schnecken und ihre Häuser verkriechen sich zwischen den Schwertlilien. Meine Kaffeebohnen schlagen schon in geringen Mengen heftig ein. Zeitverzögert. Direkter, intensiver als Kaffee. Auf unheimliche Weise quellen Glücksgefühle aus mir heraus, eine Droge eben. Später packe ich feines chinesisches Porzellan aus einem Umzugskarton. Alles hat überlebt.
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Schrottplätze und Badewannen
Ich bringe Kindern den Umgang mit Blankwaffen bei. Ich fange Riesenfalter in der alten Wohnung. In der neuen Wohnung fehlt ein Schirmständer. Im Garten zupfe ich am Hibiskusbaum, am Efeu, sammle Regen. Für die Ferien reserviere ich Schrottplätze und Badewannen. Ich lese frischen Hörstoff ein. Auf meinem Nachttisch liegen eine Dose Nivea und ein Radiergummi. Ich gehe barfuß durch Kies und Brennesseln. Von den unzähligen Scherben auf dem Schulhof verletzt mich keine. Unter der Dusche zähle ich meine blauen Flecken. Ich lasse Infos über baldige Vernissagen aushärten. Ich freue mich. Ich vermisse. Ich werde wieder Philosophie unterrichten. Ich werde Feelein genannt. Ich fliege mit der Musik. Ich bin eine quirlige Energieballung, die sich in einem Körper verfangen hat.
Monstrum
Niemals hätte ich als Kind vermutet, wie riesig, konfus und kompliziert die Welt wirklich ist. Und ich lernte seither bestimmt nur Bruchteile dieses Dschungels kennen. Winzige Bruchteile. Mir das Monstrum Welt als Ganzes vorzustellen, haut mich jedes Mal vom Hocker. Ob das Schönheit oder Hässlichkeit, Bedeutsamkeit oder Nichtigkeit ist, keine Ahnung, kein Plan. Ich sollte stattdessen wohl lieber den Brief nach Paris fertigklecksen. Oder Umzugskartons packen. Oder einen Roman schreiben. Oder.
Klebegewebe
Ich mag das Gefühl, ein zerfleddertes Pflaster am Finger zu haben. Das Gefühl, mich aufzureiben, zu verschwenden, das Leben nicht ins Ungewisse aufzubewahren, sondern zu leben, jetzt, hier. Mit all den Provisorien, den wackligen Hängebrücken, den abgebrochenen Fingernägeln. Zu leben, zwischen den Stühlen, geduldig, ungeduldig, und mit einem Fuß in jeder Tür. Freilich, das Ding auf meinem Finger ist nur ein Fetzchen klebriges Gewebe. Nicht der Rede wert. Und doch. Ich mag das Gefühl.
Literaturgemüse
Chinesisches Porzellan und Wein und Schuhe wandern in die Kartons. Tapetenwechsel, denke ich. Direkt über einer Buchhandlung werde ich wohnen, einen Rosenbusch haben und ein Beet, aus dem Romane und Lyrik wachsen. Sie werden wie Radieschen und Karotten aussehen, vielleicht auch irgendwann wie Salatköpfe oder Kapuzinerkresse. Verkappte Gemüseliteratur, verkapptes Literaturgemüse. Außerdem wartet ein lindgrünes Arbeitszimmer auf mich, eine blaue Holztreppe und der schönste Waschküchenboden der Stadt.
Später, im Stuttgarter Schriftstellerhaus, begutachten wir unsere Manuskripte, in kleiner Runde. Ich verschlucke einen Kirschkern und lasse mich übern Weinberg führen. Übernachte schließlich in einem einsturzgefährdeten Haus, schlafe hervorragend. Auf Kupferblechen rasselt der Regen.
Die Zugfahrt zurück bringt eine der kleinen Epiphanien, für die ich lebe. Ihre Tragweite wird in den nächsten Wochen erprobt.