Die Rose überhäuft zwei Fensterrahmen mit Hunderten von Blüten, ist tags Hummeltummelstelle, nachts eine dösende Diva. Das Bäumchen neben mir ist bescheidener. Ich kenne weder seinen deutschen noch seinen botanischen Namen. Aber es hat gefiederte Blätter, die es nachts zusammenrollt, als schliefe es. Ich habe ein paar Zigarillos, die nach einer Party im Haus liegenblieben, mit nach draußen genommen, zu den Rosen, zum duftenden Unkraut, zu dem Gefiederbaum. Fingere einen der ledrigen Stängel aus seiner Schachtel, bin rausgekommen, weil kein Zimmer der Welt meine Nachtlaune noch fassen könnte. Mit einem Teelicht töte ich einen Seemann. Lege den Kopf in den Nacken, blase den Rauch senkrecht in den Sommernachtshimmel, in die Irrsinnstiefe dieser Schwärze. Gerade groß genug für meine Laune ist dieser Himmel, die Welt dürfte keinen Millimeter enger sein.
Später, ich habe an verbotenen Früchten geschnüffelt, unbekannte Süße, packe meine Reisetasche. Ich sei eine Sonne, sagt er, ganz im Dunst, hinter den Wolken, ein bedeckt vorüberziehender Stern, denke ich. In wenigen Stunden werde ich in Paris sein. Auch von dort wehen mir süße Neuigkeiten entgegen und eine Brise der Verwegenheit. Ich müsste aufgeregt sein. But I don’t give a fuck. Die Dinge finden ihren Weg. Ganz und gar nicht egal, aber auf eine beruhigende Weise schnuppe sind sie mir. Schnuppe auch ich, Venusschnuppe, sorglos, frei.
Category Archives: Tagebuch
Unkraut
Mit seinem betörenden Duft, Schmetterlingsblüten und den kringeligen Ranken gefiel mir das Pflänzchen so gut, dass ich seine Samen aufsammelte und in meinen Garten streute. Dass es als Unkraut gilt, erfuhr ich erst später. Vielleicht weil es rasch um sich greift, vielleicht weil seine Zierlichkeit trügerisch ist. Piepegal, dachte ich mir. Ich züchte gern ästhetisches Unkraut.
Neumondfarben
Beim Grillfest unterziehen sich schwarzgekleidete Wolfsmänner infernalischen Initiationsriten. Gesichter wechseln die Farben. Irgendwann sind wir alle nur noch Tiere und Kinder. Der Himmel dräut grau und dann neumondfarben, hält aber dicht. Tags darauf, die Sonne scheint wieder, die letzten Gäste bleiben bis zum Abend, streicht mir webseitig etwas Prosanovaluft durch die Federn, ein Einsamkeitskitzeln auf der Haut darunter, ein bisschen wie Fernweh, ein bisschen wie das hässliche Entlein gefühlt haben muss. Die Wölfe studieren meine Geflügelform. Vielleicht bin ich hier wirklich falsch?
Mehlstaub
Sie klopfen sich Mehlstaub aus den Kleidern und flirten. Sie tragen Supermanshirts und spielen Flaschendrehen. Manchmal spiele ich mit. Dass mein Kollege nicht mitspielt, im Untergrund tätig ist, Spion oder Pirat, er will nichts über sich verraten, keine Wahrheit, keine Pflicht, dachte ich mir schon. Ich skizziere ein Autobahntunnel, Schirme, Portraits.
In der Badewanne liegen und von einem Typen lesen, der Scotch trinkt, während mir selbst ein Glas Scotch serviert wird, das hat in seiner Rekursion etwas Exquisites an sich. Ich plane Gartenfeste, kaufe Zugtickets und engagiere Pianisten. Als der Nachmittag wie ein Ballen warmer Seide auf meinen Schultern lastet, gebe ich endlich Ruhe, sauge mich voller Sonnenenergie und lasse sie später an einer Leinwand wieder aus. Manchmal muss ich durch die Straßen laufen, den ganzen Körper weit offen, auch den Mund, damit das elysische Hochkochen mich nicht sprengt. Hinaus kann.
Existenznachweis
Facebook und Konsorten machen mich glauben, dass nur geschehen ist, was als Event existiert oder fotografisch dokumentiert wurde. Ein Frühstück kann nur geschmeckt haben, kann nur diese wohlumrissene Frühstücklichkeit an sich gehabt haben, wenn es abgelichtet und hochgeladen wurde. Ein Mensch kann nur schön sein, wenn es genügend Bilder von ihm gibt. Ich sehe die Facebooker durch die Welt gehen, Kameralinsen auf den Augen, stets auf der Jagd nach dem Beweis für die Einzigartigkeit des Moments. Sie beweisen sich ihr Leben, ihre Existenz, abdrücken, anklicken, ihr Fühlen, ihr Denken, den Wert ihres Daseins, ein Nachweis jeden Tag. Es ist beinahe ansteckend, ich will auch existieren, will auch schön sein, fast bekomme ich Knipsaugen wie sie. Nur fast. Ich habe keine Kamera und will auch gar nicht. Moment um Moment für die besten Lebensbeweisbilder lasse ich verstreichen. Siebe nicht, sammle nicht. Reiße nur die Augen auf, es genügt. Unter einem Venushimmel, das Sonnenflirren im Haar, spaziere ich durch Florenz und mache kein einziges Foto.