Wir spielen Lasertag. Wir gehen surfen auf dem Fluss. Wir gehen wählen, sind in Lackleder und Tartanstoff gehüllt, tragen Chromlack auf den Fingernägeln. Die Pacifica hat neue Saiten. Es ist Zeit zu üben. Zum ersten Mal bekomme ich Probleme mit den Sehnen, habe einen Golferarm, ohne je einen Golfplatz betreten zu haben. Frage leise bei den Göttern an, ob ich den mit Golfern assoziierten Lebensstandard bitte gleich dazu haben könnte.
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Stimmbokeh
Sommerferien, Gartenarbeit bis zum Schwindelanfall, ich schlafe bei offenem Fenster, höre die Menschen feiern bis zum Morgen. Übers Grün hinweg klimpern die Gläser, Rufe verwaschen zu Stimmbokeh. Wollte ich hinübergehen, einen Fuß verschlafen vor den anderen setzen, mich den Feiernden anschließen, so wie ich letzten Herbst in die Reste einer Frankfurter Buchmesseparty geriet, der Weg wäre nur eine halbe Zigarettenbrenndauer weit. Jeden Tag der Kaffee, die Zeitung und ein bisschen mehr die Frage, ob eine Reise in die Vereinigten Staaten langsam als Elendstourismus bezeichnet werden könnte. Freilichttheater, Altmühlsee und Iller, Sport, Spritztouren und Sonnencreme, schließlich zurück an die Arbeit. Ich bade im Tuschefass, bis eine Geschichte daraus hervorwächst, mir über den Kopf und ins Haar hinein. Eine Krähe krächzt durchs Fenster, erinnert mich, dass ich bald wieder den Koffer packe. Island, Reykjavik, ein neuer Weltenwechsel, mein tuschebekleckstes Hirn ist voller Neugier und Polarkreisträume.
Möwensabber
Die Fähre auf die Insel, der Moment, wenn die Autoreifen über die Metallrampe poltern, wenn ich die Zweifel auf dem Festland zurücklasse, den Kalender, die Literaturfestivals und die Erdbeerfelder auch. Tage voller Meerschaum, ich grüße haarige Raupen, Dünenkaninchen, und lasse mir von Möwen die Hände vollsabbern. Ich surfe, bekomme vom Sturm sandgestrahlte Haut, singe laut, der Wind reißt mir die Silben von den Lippen. Später habe ich Sandkörner im Mund und nicht nur dort. Der quirlige Wassersaum, ein Streifen aus Muscheln weiter oben am Strand, die Leute folgen den Linien, die das Meer gemalt hat. Zurück in ihren Wohnzimmern gucken sie Nachrichten und Serien, wir schauen stattdessen James Comeys und Jeff Sessions’ Vernehmungen, lauschen den unterschiedlichen Akzenten der Senatoren. Knallgelbe Kopfhörer, Wollmütze, Surfcafé, die Flut ist mein Freund und Quallen sind ein Symptom des Meeres.
Aprilwetter
Dies sind die plüschenen Zwischenquartiere zwischen Hagelschlag, Notizen und Wahlprognosen. Ausgekleidet mit altmodischem Sprachbrokat, sie werden seltener und staubiger und stattdessen lese ich Zeitung, errechne mir, dass meinen Midori keiner trinken wird. Dass alle zu beschäftigt sind mit Wut, Terror und Spaltung. Ich schenke kleinen Türkenjungs, die mit Steinen auf dem Gehweg herumkratzen, Straßenkreide. Zeig mir deine Wahrheit, ritze sie jetzt und hier in den Asphalt. Ich will sie hineinbrauen in meinen Likör, ich will wissen, verstehen, heilen. Etwas bauen, das jenseits der Ironie Bestand hat, das hineinragt ins Utopia. Zeig mir, welche Mauern wir dafür zerstören müssen, lass uns Wäscheleinen spannen, flattrige, duftende Mauern, Laken und bunte Röcke, die durchschritten werden können mit einem Handschlag. Hinein, hinein in das Aprilwetter, in einen Tumult, als ob jeden Tag das Zuhören neu erfunden werden müsste.
Nachtgeschichten
Es ist die Nacht zwischen dem vierundzwanzigsten und dem fünfundzwanzigsten Dezember. Die sozialen Netzwerke sind weihnachtlich leer, außerdem ist es spät, die meisten Feiernden sind bereits in ihre Betten gekrochen. Ich habe nicht gefeiert, bin krank. Hätte ohnehin nicht gefeiert. Habe tagsüber geschlafen, bin jetzt wach. Das Fieber klingt langsam ab, es ist vier Uhr morgens und ich bin mutterseelenallein mit einem Buch. Die Stille ist durchdringend, das Lampenlicht eine Insel, das Buch mein Messer, mein Wasser, mein schattiger Ort. Ich lese, bin ganz bei der fremden Stimme, als wäre sie ein Teil von mir, als könnte sie ein Zuhause in der Wildnis aufspannen, wo keine Menschen sind, kein einziger Freund. Dass einmal irgendwo irgendwer mit einem meiner Texte so mutterseelenallein sein könnte, lässt mich schaudern, lässt mich weiterschreiben.
Auch in der nächsten Nacht schlafe ich kaum. Die neue EP von Nine Inch Nails, Gewaltfilme, Computerspiele und Tee, jede Menge Tee. Endlich, in der dritten Nacht dämmere ich weg, tauche ab in Hypnos’ Reich. Kleine spielende Putten winken mir hinterher, sie lachen dümmlich. Ein Traum offenbart mir, dass ich ein Kunstwerk des Titels »In Schrecken gehüllte Sandwiches« herstellen werde.