Warum klingt die Heizung manchmal wie ein Orgelton und manchmal wie ein Drache, der im Schlaf seufzt. Wieso suche ich nach Unterschieden zwischen meinem linken und meinem rechten großen Zeh. Wo ist die Stopptaste für meinen Kopf. Zwischen den Beinen, zwischen den Beinen, wispert eine Stimme aus dem Bauch. Unter grauer Schurwolle ist alles ganz warm. Ich wollte den Kopf zum Schweigen bringen, jetzt redet der Bauch. Ich habe Lust auf einen großen Knutschfleck.
Am Dienstag besuchte ich ein Seminar der Germanisten im Hölderlinturm. Fühlte mich sofort zu Hause. Metrik, Strophik und die Unsterblichkeit. Beim Anblick des Flügels bekam ich Sehnsucht nach meinem Klavier. Vielleicht werde ich nun öfter dort sein.
Feinstrumpfhosen und Champagner
Als ich aus Frankfurt zurückkomme, finde ich im Briefkasten eine Einladung des Landratsamtes Alb-Donau zu einem Literaturseminar im Kloster Blaubeuren. Außerdem einen Glückwunsch zum zweiten Platz bei einem Tübinger Schreibwettbewerb. Wie sich das für eine Schriftstellerin gehört, denke ich. Erst kürzlich hatte ich mich nach einem ordentlichen Lektorat gesehnt. Die Betriebsblindheit wieder etwas abschütteln, Schreiber und Leser um mich, das hatte ich vermisst. Ich werde im Kloster mit Literaten frühstücken und im kleinen Schlatterhaussaal eine Sommerszene lesen.
Die Frage des Tages ist, warum eigentlich Feinstrumpfhosen immer so wahnsinnig schnell kaputt gehen. In Preis und Leistung sind Feinstrumpfhosen wirklich mit Champagner zu vergleichen. Leiden kann ich beides trotzdem sehr gut. Ich kaufe aber nur die Strumpfhosen. Champagner lasse ich mir, wenn überhaupt, reichen.
Während ich sardisches Fladenbrot knabbere, diesmal ohne Thunfischpaste, Riesengarnelen und Weißwein, denke ich, dass das jetzt genug Rumgesnobbe war. Gute Nacht, Volk.
Dickflüssiges Spüli
Ich erzählte der jungen Journalistin wirklich, dass Kunstblut nach Spüli schmeckt. Genauer, dass es nach Erdbeere, Benzin und Spüli schmeckt. In Wirklichkeit schmeckte aber mein Cocktail, den ich während der Befragung trank, nach Benzin und Spüli. Er hieß Casino und ich habe Zeugen für seinen Geschmack. Aber weil unser Filmblut auch nicht sonderlich lecker schmeckte, war Spüli der erste Vergleich, der mir einfiel. Und weil Spüli ein lustiges Wort ist. Letztlich ist der Vergleich zwischen Kunstblut und Spüli nicht so schlecht, weil beides dickflüssig und eklig ist. Wobei Spüli definitiv ekliger ist. Auf der Zunge, meine ich. Aber ich musste der jungen Journalistin einfach ein paar komische Sachen erzählen.
Dem Oberbürgermeister schreibe ich nun tatsächlich einen Brief. Was drinsteht, sage ich erst oder vielleicht gar nicht, wenn, nein, falls ich eine Antwort bekomme. Außerdem bin ich ziemlich gespannt, was die Stadtsherriffs vom Vorstadttheater über den Wahlsieger erzählen werden. Was die Fee dem Palmer wohl zu schreiben hat, denkt Ihr. Der Zettel steckt schon im Kuvert. Nein, ihr Phantasten, keine Liebesbriefe.
Moment mal
Die »sogenannten Freunde« nehme ich zurück. Was befremdet mich denn immer so daran, Freunde zu haben?
In meine Arme
Ich habe begonnen, Menschen zu umarmen. Damit meine ich weder meine Eltern, die ich liebe, noch Männer, die ich liebe. Ich habe begonnen, die sogenannten Freunde zu umarmen. Und ich weiß nicht, ob mir das gefällt. Die Distanz, die ich gewohnt bin, schmilzt. Einerseits ist eine Umarmung oft ein probates Mittel, kurz und bündig auszudrücken, was in Worten leicht verloren geht. Andererseits ist eine Umarmung eine sehr barbarische Vernichtung des schönen und subtilen Austauschs von Blicken, den ich kenne und liebe.
Umarmungen laufen auch schnell Gefahr, in hauchfeine Heuchelei abzudriften. Dorthin möchte ich mich, auch nicht schleichend, bewegen. Dabei ist es sehr leicht, den Konventionen des Abschiedsrituals fast willenlos zu folgen. Ganz so schlecht fühlt es sich ja nicht an. Und manchmal will ich auch wirklich umarmen und umarmt werden. Aber eben nicht immer, nicht aus Gewohnheit, nicht aus Höflichkeit und nicht aus Faulheit, subtilere Gesten zu achten. Berührt werden möchte ich nur dann, wenn ich wirklich berührt bin. Oder es gute Gründe dafür gibt.
Vielleicht habe ich auch nur begonnen, die Menschen mehr zu lieben. Aber das, mit Verlaub, wäre ein wirklich schmaler Argumentationsgrat. Oder ich bin offener fürs Konventionelle geworden. Was nicht an sich verteufelt werden könnte.
Ein bisschen ratlos gehe ich in die Nacht. Was schön ist zu wissen: Jede neue Begegnung wird ohnehin für sich entscheiden, ob sie eine Umarmung werden will oder nicht.