Moormädchen

Ich habe wieder Schlittschuhe. Endlich. Mein letztes Paar ist mir zu klein geworden. Ich war schon eine Weile nicht mehr auf dem Eis. Es ist Zeit zu sehen, ob es noch Eisfeen gibt. Ich freue mich. Mein Weihnachtsgeschenk an mich selbst.
Gut erinnere ich mich, wie die Moore bei dem Dorf, wo ich aufwuchs, gefroren waren. Ich lief übers Eis, zwischen moosigen Stämmen, verrottetem Holz, Luftwurzeln, Schilf und Raureifgras. Unter mir schliefen die Molche, tief vergraben im kalten Schlamm. Das Eis war nicht nur weiß, sondern auch dunkelgrün. Manchmal war eine Luftblase ins Eis geschlossen und mimte den Edelstein. Smaragd, dachte ich. Die Moortöpfe heißen Wasenlöcher. Neugierige und findige Leser wissen nun auch, wie das Dorf heißt. Eislaufen auf den Moortümpeln war bestimmt verboten.

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Es gibt tausend Ausflüchte aus der Arbeit und nur einen Weg zurück.
Für jetzt aber nehme ich den Highway aufs Land, die Schnellstraße an den Rand der Welt, die Auffahrt zum Chill, den Weg an ein geistiges Meer. Dort werde ich eine Weile wohnen, auf Schnee warten, und meine Hauptbeschäftigung wird eine genüssliche Zeitverschwendung sein. Meere sind im Winter nicht sehr freundlich, deshalb ziehe ich mich warm an.
Warum packt mich manchmal das Glück wie ein Geschwindigkeitsrausch? Während ein schneller Wagen aber, mit großen Sätzen von Gang zu Gang hechtend, mechanisches Muskelspiel, mich fortträgt, immer weiter fort, trägt Glück mich nirgendwohin. Oder besser gesagt: Genau dahin, wo ich schon bin. Die Bewegung, der Rausch, bleibt derselbe.
Manche Leute möchten nicht im Auto sterben. Wenn ich Rob Dougan singen höre, weiß ich, dass manche zumindest mit dem Gedanken gespielt haben. I’m not driving anymore, singt er. Ich stelle mir vor wie er, in voller Fahrt, die Hände vom Lenkrad nimmt und die Beine entspannt, sich weigert, nur einen weiteren Finger zu rühren, um die Maschine zu kontrollieren. Er will nicht mehr kontrollieren. Er sieht einfach zu. Und wartet. Was passiert. I’m not driving anymore.

Glockenschlag

Der Abend im Stift war weinhaltig und zwanglos. Jetzt weiß ich, dass es Zeit ist, Zugaben in der Hinterhand zu haben. Wie peinlich, wenn ich auf den Zuruf nichts zu spielen weiß. Ich behalf mir und sang etwas, das ich noch im Kopf hatte. Zum Glück, wie ich schon sagte, war die Atmosphäre locker genug dafür. Ich fragte mich, wie wohl mein Singen im Innenhof des Stiftes klingen würde, widerhallend von allen vier Wänden. Aber den Gedanken behielt ich für mich.
Das Schokoladenfest war klein und kalt, aber süß. Und scharf, mit einem Schuss Chili. Tatsächlich hat es ein wenig Lust auf Weihnachten und auf Winter in mir geweckt. Hauptsächlich auf Winter.
Eine leichte Unruhe geistert mich an. Ich denke ans Kloster Bebenhausen, nachts um drei. Ein Spaziergang dort, in den Höfen und Gassen, kann zwei aufgescheuchte Geister so sanft zur Ruhe bringen. Wohin werden wir gehen, wenn wir nächstens wieder nicht schlafen können?