Suchmaschinenspiel

In den Statistiken des Fairy Clubs sehe ich, dass ich tatsächlich mit den Begriffen Oililywerbung und Lifestylejunkie gesucht wurde. Meine Leser sind ein aufmerksames Volk. Bei diesem Blick in die Statistik sehe ich auch, mit welchen anderen Suchbegriffen ich gefunden wurde. Das ist teilweise wirklich unterhaltsam: farbsüchtig, Kinderkuss, haariger Bauch, Wimper vom Finger pusten, reitende Mädchen, Nymphe, Club für Sadisten. Eine erhellende Lektüre.
Einer der Suchenden möchte gerne einen Lehrer mit steifem Schwanz finden. Zunächst will ich das ignorieren, beschließe dann aber, einmal nachzusehen, ob ich vielleicht noch einen solchen Lehrer im Keller stehen habe. Jemand wünschte Pokern zu lernen in Kiel und stolperte ebenfalls in den Fairy Club. Letztlich kann man hier alles lernen, denke ich, also nur herein. Kiel ist überall. Setzt Euch erstmal da ins Eck. Die neuen Samtsofas kommen gleich. Tee oder Cocktails gibt es in Massen. Hier ist der Flügel, falls jemand spielen kann. Macht es Euch bequem.
Ich trinke Kaffee und stöbere weiter. Im Fenster leuchtet eine Lichterkette, deren kleine Birnen wie Eiswürfel aussehen. Gehört eigentlich in eine Bar. Ich sehe schon, ich sollte zur Selbstbespiegelung öfter die Statistiken lesen.
Plötzlich fallen mir eine Menge Worte ein, die typisch genug sind, dass Suchmaschinen bei ihrer Nennung schnurstracks zu mir rennen, wie Bluthunde. Wüstenszene zum Beispiel. Realitätsbaden. War alles schonmal da. Oder Clubsphäre, auch schön. Wieseltempo. Alkopopdosen. Proggerblogs. Meine Wortlust und mein Spieltrieb stürzen sich brüderlich auf das neue Suchmaschinenspiel. Jetzt ist aber Schluss mit dem Wortgehäcksel, denke ich. Es ist Zeit für ganze Sätze.
Einzig der Club für Sadisten beschäftigt mich noch etwas.

Glashäuser am Meer

Eine Fee in Stockholm hat Folgendes gekritzelt:
Hier sitze ich, vor einer Tasse Tee, einem Muffin, einem Haufen Schokolade, einer Thunfischdose und einer Elfkronenlasagne. Ich esse das Zeug, ganz langsam, und warte auf die Nacht.
Wenn ich das so schreibe, finde ich die Kombination selber eklig. Aber erst, seit ich es aufgeschrieben habe. Davor nicht. Ich sehe, dass neben meinem Fenster die Palmkätzchen aufgehen. Der Himmel ist bleigrau. Marilyn Manson singt irgendwas von der Geschwindigkeit des Schmerzes.
Ich beginne, das Blatt vor mir zu lieben. Ich beginne, die ganze scheinbar sinnlos totgewartete Zeit zu lieben. Worauf ich warte, mag jemand fragen. Auf die Nacht, ihr Ende, den Heimflug. Ich habe mich vollgesogen, eine Woche lang, bis über beide Ohren, mit Stockholm, Hafenpromenade, Spielplätze auf Södermalm, Eisschollen im Park, öffentlicher Nahverkehr, windige Ecken und Glashäuser am Meer. Jetzt habe ich genug und will nach Hause. Ich warte. Ich spüre, wie mein Kopf überfließt vor, ich will es ganz prosaisch nennen, Material. Fließt über, ein Kochtopf, der zu lange unbewacht auf der Hitze stand. Gleichzeitig explodiert auch mein Herz, herzzerreißend langsam, in einer Gischtwolke aus warmem Blut. Die Musik, jetzt Dredg, ist mit schuld. Für eine Weile tue ich gar nichts.
Später wickle ich meinen Schal um die Füße und hoffe, sie werden nicht kalt.

Wetterbericht

Den Stockholmer Wetterbericht verfolgen, Strumpfhosen sortieren, sich überlegen, ob Tinte in einem Füller als Flüssigkeit zählt, den Füller schließlich kopfschüttelnd einpacken, das Fernweh spüren, schnell noch Briefe abschicken und Worte tippen, nicht wirklich hier sein, auch nicht dort. Fernweh, merke ich, ist mit Lampenfieber eng verwandt.

Kaffee Mexiko

Ich trinke meinen Kaffee Mexiko wie immer, viel Schokolade, etwas Milch, manchmal Zimt, und nenne ihn Kaffee Mexiko, bis mich jemand eines Besseren belehrt. Dann ziehe ich mich an. Für fünf Minuten bemühe ich mich, weniger wie ein Lifestylejunkie auszusehen, weil ich Leuten begegnen werde, bei denen ich nicht nach Lifestylejunkie aussehen will. Gebe aber auf. Ich entkomme meinem Stil ja doch nicht. Mir fällt schließlich auf, dass ich den Begriff Lifestylejunkie eben erst erfunden habe und im Grunde nicht einmal weiß, was er bedeutet. Also kein Grund zur Panik. Ich ziehe absichtlich die buntesten Schuhe an, die ich finde. Mein Nagellack schillert wie ein frisch befüllter Pool.
Ich schrieb einmal, dass ich wie in einer Oililywerbung lebe, wo Äpfel, Wasser und Kopfschmerztabletten immer irgendwie nach Erdbeere schmecken. Heute ist das wieder so. Füttert man übrigens die Suchmaschine mit den Begriffen Oililywerbung oder Lifestylejunkie, landet der Fairy Club tatsächlich auf Seite eins. Bisher jedenfalls. Zu diesen Begriffen zählen auch: Litschigeschmack, Schwarzpulverdunst und Rumgesnobbe.

Kettenbruch

Die Wüstenszene, Emilia und ihr Löwe, stehen nun im Atelier. Neben der Kuppelstadt, wie versprochen. Heute ist ein verpennter Tag, zu dunkel, sogar mir. Das Leben scheint wie eine Kette ständiger Anfragen, Absagen und Zusagen. Ja, nein, warte. Ich darf nicht vergessen, mir den internationalen Studentenausweis zu besorgen. Ich krame ein Passbild heraus.
John William Waterhouse hält mir weiter seine üppig wuchernden Spiegel hin. Ob wirklich, wer sich viel mit Nymphen beschäftigt, selbst zu einer wird?