Tomatensaft

Ein paar Selbstgespräche. Ich frage mich, ob das heimliche Band mitläuft. Das Band zeichnet alles auf, alles. Die Frage ist nur, ob es läuft. Weil ich das vermutlich nie erfahren werde, mache ich mir andere Gedanken. Zum Beispiel, wie es wäre, mich an Deinen Rücken heran zu schleichen und meine Hand in die Kuhle zwischen Deine Schulterblätter zu legen. Es fühlt sich bestimmt gut an. Du bist nicht da, ich weiß, ich weiß.
Ein paar Futterfragen. Was zum Beispiel den Tomatensaft anbelangt, hatte der Barmann recht. Man sollte immer guten Tomatensaft im Haus haben. Und etwas Leckeres, um ihn zu würzen, wie Zitrone oder Pfeffer. Heute habe ich ihn zum ersten Mal vermisst. Den Saft, nicht den Barmann.
Und Internetgeschichten. Sie findet mich dumm, naiv und manipulativ, schreibt mir in einer persönlichen Nachricht eine junge Frau. Zugegeben, ich hatte gefragt. Ihre Angriffe im Forum ließen vermuten, dass die Antwort interessant sein würde. Ich habe einen Grundrespekt vor Menschen und ihren Meinungen, deshalb sitze ich eine Weile vor ihrer Nachricht und versuche, etwas daraus zu machen.

Der Innenhof des Wunderlands

Knöpfe annähen, Reisetasche packen. In einer Frankfurter Wohnung, nah dem Main, Marmor und Parkett nass machen. Champagner und Kaffee, Lotostee und endlich wieder Sushi. Über Zürich reden und über Frauen. Im Wunderlandviertel frühstücken. Zerstreute Blicke auf sich bündeln und wünschen, es würde nicht so kitzeln. Gedankenverloren unterm Himmel hängen. Über Wahrscheinlichkeiten reden und über Wahnsinn. Beides gegeneinander stellen und das Irrationale ausgraben. Du bist die Styroporverpackung eines Fernsehers und ich ein abgelaufenes Medikament. Im Innenhof des Wunderlands leben Kaninchen.
Jasmintee schlürfen, den Glückskeks aufbrechen. Reisetasche auspacken. Bemerken, dass das Lampenfieber für die morgige Lesung in der Kunsthalle auf sich warten lässt. Fenster auf, Fenster zu. Text markieren, schieben, speichern. Überlegen, wo der nächste Drucker steht. Umfallen, schlafen.

Weitermachen

Wir gehen auf Ästen spazieren, die zu dünn für uns sind. Wer trotzdem nicht fällt, darf weitermachen. Meine Stimmung ist in Schurwolle gehüllt und trägt Perlen. Und ich fliege wieder, im Traum, was eins der besten aller Zeichen ist.

Heimaten

Ich schmökere mich durch die schwedische Wikipedia und für einen Moment will ich einfach nur heulen. Ich habe Heimweh nach Stockholm. Oder Fernweh. Egal, denke ich, oft kann ich Heimweh und Fernweh kaum mehr unterscheiden. Und ehrlich, das, mit dem Seewind im Haar auf einer Brücke stehen, oben die Möwen und Krähen, Mälaren im Rücken, links und rechts die herrliche Stadt, ist mein Zuhause. Und die Ferne zugleich.
Früher fragte ich mich, warum ich dem Dorf, in dem ich meine gesamte Kindheit verbrachte, mich gar nicht verbunden fühlte und auch meinem Schulort nicht, nur Ulm ein wenig. Jetzt weiß ich warum. Mit einem Fuß war ich immer schon anderswo, in Swansea, in Stockholm, immer am Meer, und Gott weiß wo noch. Jetzt scheint die Zeit zu sein, diese Orte zu finden, all meine zweiten Heimaten. Ich frage mich, ob es pervers ist, von Heimat im Plural zu sprechen.
Dann lese ich alte Tagebucheinträge und sie saugen mich rein wie ein Buch. Früher, als das Tagebuch aus Papier war, waren mir alte Einträge meistens ein Gräuel zu lesen. Etwas ist anders, seit ich für Andere schreibe, schreibe ich auch für mich.