Ich höre die Empfehlungen eines Schweden. Auch wenn ich weiß, dass sie mich melancholischer machen als ich bin. Sein sollte. Die schwarze Box, in der die Tonträger geliefert werden, erinnert mich an eine Cyberpunkausgabe von Barbie und der Schwede mich an Stockholm. Beides gefällt mir und schürt die Sehnsucht. Ich rauche zu viele Zigarillos. Für meinen Geschmack. Zwei in einer Woche, das hatten wir noch nie.
Lieber an Dinge glauben, die Du der Welt noch beweisen musst, denke ich, als Dinge, die Dir längst bewiesen wurden, nicht glauben wollen.
Die Perlen stehen im Kontrast zur Nacht. Ich habe Lust auf ein kleines Schwarzes. You’re always on your own, singt der Schwede mit frostiger Stimme.
Unsichtbare Drachen
Kindergarten ist eine Weile her. Grundschule auch. Aber es gibt Erinnerungen, die umso heller leuchten, je dunkler der Raum um sie wird. Wie Bleiglasfenster, die Du so sehr liebst. Am wachsten und hellsten sind übrigens nicht die Erinnerungen an Wirkliches, sondern an Spiele, an das, was Du Dir nur vorstelltest, was Du Dir einbildetest. Und an diejenigen, die diese Vorstellungen teilten. Unsichtbare Drachen sind die stärksten.
Das Vermissen einer Krone
Du bekommst langsam ein zärtliches Verhältnis zum Netz, weil Du wochenlang nur das Trackpad benutzt hast. Als hättest Du die Seiten alle berührt, Dich durch alles durchgefingert. Die Maus verstaubt. Deine Finger tasten lieber, sind manchmal kalt und das Trackpad sachte warm, glatt, angenehm. Es lässt sich im Traum bedienen.
Manchmal vermisst Du etwas auf Deinem Kopf. Aber Hüte und Mützen funktionieren nicht, sie sind zu füllig und flächig. Tücher auch nicht, zu weich, zu verhüllend. Allmählich wird Dir klar, dass es eine Krone sein müsste. Eine schmale, auch halbwegs alltagstaugliche Krone, ein Diadem oder zur Not ein dicker Kranz aus Gänseblümchen. Du fragst Dich, ob Du als Kind zu oft Prinzessin gespielt hast. Eigentlich nicht. Lieber warst Du Robin Hood. Du sagst Dir, wie seltsam Dich die Leute fänden, wenn Du Kronen tragen würdest. Du fragst Dich, ob sie echte Kronen oder selbstgebastelte aus Goldpapier schlimmer fänden. Du behilfst Dir mit aufwendigen Haarreifen oder Spangen und fragst Dich, ob es für diese Neurose schon einen Namen gibt: Das Vermissen einer Krone.
Telegrammstil
Telefonate vereiteln Tagebuchgetippe. Andere Tagebuchtipper wollen Kontrolle. Tangiert nur peripher. Tatsächlich November. Sammle Tagewerke eines Traumtänzers. Teebeutelsalat und Telegrammstil.
Vorstufen
Nein, die Stereoanlage ist nicht kaputt. Das ist meine Musik. Und wenn ich erst woanders wohne, wird sie noch lauter sein, warte nur. Auch der Kühlschrank wird größer sein und ein eigenes Fach für Sushi haben. Ein zweiter Ikeaschuhschrank muss her und eine neue Kaffeedose. Und irgendwann, irgendwann, wenn Raum und Geld ja sagen, wird mein liebes Klavier nicht mehr im Elternhaus auf mich warten müssen, sondern zu mir ziehen, endlich. Ich träume und trinke Tee.
Später schreibe ich Badewannenszenen und Eislaufszenen und einen ziellosen Brief.
Seit gestern habe ich mein Staatsexamen. Ein komisches Ding. Es erinnert an einen Plüschfrosch, schöne Sprungbeine und große Augen, eigentlich ganz nett, vielleicht etwas grün um die Nase. Weil es mir den Kopf so herrlich freigeblasen hat, in nur wenigen Stunden, nehme ich an, dass es mir Gutes will. Ich kraule es ein bisschen, es schnurrt.
Während ich tags vom Klavier und von Kaffeedosen träume, träume ich nachts vom Walzertanzen, was wohl eine Vorstufe zum Fliegen ist.