Elektrisiert

Die rote Lampe sah im Bauhaus weit weniger pornomäßig aus als an meinem Bett. Ich unternehme nichts dagegen, natürlich. Plötzlich bekomme ich Lust auf einen rosa Flauschpullover. Manchmal bekomme ich Lust auf gewisse Kleidungsstücke, wie man Appetit auf gewisse Speisen hat. Ich frage mich, ob das normal ist und wähle stattdessen einen bunt gestreiften Angorapulli. Ich fühle mich wohl darin und schlage zwei Nägel in die Wand, hänge zwei Spiegel auf. Ich bade oft, mit Lavendelöl oder ohne. Die Sache mit Einstein und Gödel fesselt mich, aber ich verbiete mir weitere Bücherkäufe, vorerst.
Natürlich nehme ich die Einladung nach Irland gern an. Und wer weiß, vielleicht klappt es dieses Jahr mit Dublin. Ich wollte ohnehin wieder auf die Insel, irgendwann. Am liebsten auf ein Boot und den River Shannon rauf und runter, aber fürs Erste lasse ich auch Dublin gelten.
Von Zeit zu Zeit weiß ich sehr genau, was ich auf dieser Erde verloren habe. Mich berührt, bewegt, elektrisiert etwas, und es hält mich bei der Stange. Ich schreibe meiner Freundin in Paris davon. Hätte ich den Brief noch, könnte ich zitieren. Aber nein, ich will gar nicht zitieren, Brief ist Brief. Eine ganz, ganz langsame Explosion, schrieb ich anderswo. Langsam wird mir klar: Ich bin eine Hochgeschwindigkeitskamera.

Quiche und Windbeutel

Resonanz einmal nicht in Form von Applaus finden, sondern als verwandte Welt. Was nicht heißen soll, dass es keinen Applaus gegeben hätte. Im Stadthaus, diesem weißen Schiff in Ulm, als die Förderpreise verliehen wurden, monatsmittig. Das unerwartete Gefühl, nicht allein gewesen zu sein. Den anderen Künstlern begegnen, als hättest Du sie schon gekannt, und Dich tatsächlich zuhause fühlen in Deiner Generation. Überhaupt erst auf den Gedanken kommen, dass es eine Generation geben könnte.
Keine Spartenkünstler, sondern Grenzgänger, Fremdgänger in vielen Gärten, hängenden Krautgärten und elektronischen Gemüsebeeten, Lauscher, Beobachter, Filigranfetischisten. Und beim Buffet das Gespräch so mühelos vertraut, mit Ligeti, mit Druckgrafik, mit Quiche und Windbeuteln.
Ich stimme die zweiundzwanzig Saiten der kleinen Harfe und füttere die Vögel. Die Meisen, überhaupt nicht mehr scheu, plündern vergnügt den Kernsalat vom Balkon. Ich gehe in den Wald und füttere auch die Rothirsche. Dann die Steinböcke, dann die Wildschweine, dann die Mufflons. Ich wohne am Wildpark. Raureif schneit mir ins Haar, während die Tiermäuler in meine Hand atmen. Ich mag die nibbelnden Lippen, die Dreckschnauzen, die Samtnasen.

Neujahr

Allen Reingeschneiten eine erfüllte Neujahrsnacht!

Unreflektiertes Zitatewerfen ist doof, aber danach suchte ich eine ganze Weile und werde in diese Richtung noch eine Weile weitersuchen: »Für uns gläubige Physiker hat die Scheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nur die Bedeutung einer wenn auch hartnäckigen Illusion.« – Albert Einstein

Silbern verspiegelt

Wearing my sunglasses helps me compose myself. Manches sagt sich präziser auf Englisch. Das Fliegengewicht der Sonnenbrille, silbern verspiegelt, übt genau den leichten Druck aus, den meine Nasenflügel brauchen, die zarte Erinnerung: Du hast ein Gesicht.

Hexenland

Ins Hexenland bin ich gezogen. Nebel zieht binnen einer Minute auf und verwandelt Luft in Straßenlaternensuppe. Aus den Kanaldeckeln dampft es. Die Bäume tragen Reif, zentimeterdick, als wüchse ihnen weißes, buschiges Haar über und über. Es glitzert im Morgenlicht, das Silberfell eines Eisbären. Die Blaumeisen sind scheu, verfolgen aber jede Änderung am Balkon aus dem Hinterhalt. Katzen drängen ins Haus. Der Wald rauscht.