Schlechtwetterkleid

Der Himmel ist grau wie die Papageien in der Zoohandlung. Die plustern ihr Schlechtwetterkleid und kosten siebenhundert Euro. Wippen mit ihren schwarzen Schnäbeln, gurgeln und flirten Dich an. Sie mögen Dich, weil ihnen langweilig ist und Du Zeit für sie hast. Gebannt lauschen sie auf Deine Stimme, klettern dicht vor Dein Gesicht. Du kannst ihre schwarzen Zungen an den Stäben tasten sehen. In ihren Augen wohnt eine Welt, die keine Worte braucht.

Geständige Verbrecher

Du streichelst über das lange Holz, das sich nicht entscheiden kann, ob es rau oder glatt sein will. Danach bindest Du ihm eine rote Schleife um. Ein Kochlöffel. Den wirst Du Deinem Mitbewohner schenken. Weil Du seinen alten Löffel in einer blinden Wut zertrümmert hast. Außerdem erhoffst Du Dir ein wenig Magie von diesem neuen Löffel, ein wenig kochende Fürsorge, ein wenig Nasi Goreng, Kürbissuppe oder Mousse zum Abschnorren. Jaja, kindische Denke, ich weiß.
Dein Hunger nach Menschen geht manchmal so weit, dass Du gern einzelne Exemplare mit Deinem Blick an ihren Stuhl fesseln würdest. Wenn sie gut sind. Wenn sie den Weg in die inneren Zirkel Deines Labyrinths gefunden haben. Wenn ihre Augen zu reden beginnen wie geständige Verbrecher. Wenn es interessant wird. An den Stuhl fesseln, bis alles heraus ist. Bis ich satt bin.
Abends sammelst Du Dich, oder was von Dir übrig ist, machst Kaffee und die Welt ein bisschen bunter. Dann plötzlich Endorphine, ein nächtliches High. Knabberst und telefonierst in der Badewanne, inmitten einer großen Wolke Schaum. Zeit existiert nur, damit nicht alles gleichzeitig geschieht, sagt ein Glückskeks. Und ich frage mich, ob irgendwer den Unterschied bemerken würde, wenn alles gleichzeitig geschähe.

Rosa Hüpfball

Vier, vier, acht, denke ich. Schönes Datum.
Ich las ein Fetzchen John von Düffel, wirbelte im Guinesstaumel, das heißt betrunken, durch die Wohnung und wunderte mich am nächsten Tag, wo die ausgedruckten Manuskripte sind, wenn ich sie brauche. Ich wanderte die Calwer Passage auf und ab, stellte mich im Stuttgarter Schriftstellerhaus dem Forum der Autoren und schlief in einem Esslinger Bett. Ich war guter Laune, aß Nummer zehn beim Asienimbiss im Königsbau und fuhr zurück in die Pampa.
Mit dem Grün, das langsam in den Bäumen und Büschen aufgeht, wird die Zugstrecke eine andere. Ich lehne im schaukelnden Regionalbahnsitz. Dass nur depressive Musik mich zu neuem Wollen aufrafft, ist nichts Neues. Neben mir sitzt eine Oma und macht sich Notizen.
Wenn Du in die Stadt gehen willst, schnell ein paar Dinge besorgen, Topflappen, Tee, Kajal, und Dich plötzlich im Duft gebrannter Mandeln auf einem bunten Markt wiederfindest. Oder wenn Du unversehens Deinen rosa Hüpfball ausgräbst, den Du fast vergessen hattest, ihn durch Flure und Zimmer springen lässt. Wenn in der Küche Leben ist und jemand für Dich mitkocht. Das sind die leichten Momente.

Auf dem First sitzen

Wir gehen Mitternachtsschaukeln im Schnee. Der Spielplatz ist von der unlangweiligen Sorte. Ich kann im Schaukelkorb liegen wie in einer Hängematte. Ich friere nicht. Ich kann über vereiste Seile tanzen. Ich falle nicht. Wir werfen Schneebälle, snipern auf den Bretterverschlag des Klettergerüsts. Wir stecken unsere Zungen in den lockeren Schnee. Was, wenn nicht das Prickeln von Schnee auf der Zunge, ist der Inbegriff des Kindseins.
Dass das Dach der Welt in meinem Zimmer sein kann, oder in meiner Badewanne, geht mir nur manchmal auf. Zu selten. Und warum der laufende Geschirrspüler und Góreckis dritte Symphonie so gut zusammenpassen, ist mir auch schleierhaft. Geschenkte Tage, denke ich, sind die besten Tage.
Zwei Morgenkaffees später fahre ich gen Süden und klettere auf ein wirkliches Dach. Weil es in der Sonne liegt und zugänglich ist. Ich wärme meine Hände und die nackten Füße auf den roten Ziegeln. Unten, in ein paar Ecken, liegt noch Schnee. Ich frage mich, ob mich irgendwelche Nachbarn sehen und was sie über das rosa gekleidete Mädchen auf dem Dach denken würden. Auf dem First sitzen, ich hatte gewusst, dass es mir liegt.