Feenschaukel

Die Feenschaukel wollte der Nerd mir schicken. In Einzelteilen, notfalls. Zugegeben, ich hätte sie gern mitgenommen, die große, rote, schöne Schaukel für zwei. Was muss sie auch in Hamburg stehen.

Pinnwand

Neugier und Dekadenz, Nerdismus und Snobismus. Oder einfach eine Reise. Jeder Mensch ist ein fremdes Land, voll eigener Bräuche und Sehenswürdigkeiten, voll privatem Wahnsinn und Unsinn. Hat eine eigene Sprache, Küsten, Meere, Heiligtümer. Deshalb hat es nichts Herablassendes, wenn ich sage, dass ich jemanden bereise.
Tatsächlich habe ich zwei Männer bereist, zwei Städte, zwei Welten. Einer der Männer würde sich wehren, so unterschiedslos im selben Satz mit dem anderen genannt zu werden. Deshalb bekommt er eigene Sätze. Oktopussätze, Sushisonaten, Weißweinquartette. Ich tanzte für ihn mitten auf der Showbühne bei einer Schwulenparty und er sah mich nicht. Ich tanzte also weiter, bis auf den großen Feldberg, einen Stock als Schwert in der Hand, da sah er mich dann.
Er spricht über Autos und ich schmunzle, warte insgeheim auf den Tag, an dem ich seine Autoschlüssel in die Finger und die passende Strecke vors Visier bekomme, er spricht über Villen, über Materialismus, über Krawatten und ich schmunzle immer noch. Die Rede übers Fischgrätparkett in Eiche allerdings beeindruckt mich.
Frühstücks ist er anspruchsvoll. Mittags melancholisch. Dinners fehlt die Musik in seiner Wohnung. Aber dem lässt sich abhelfen.
Jedenfalls komme ich zurück, Elbsand in der Hose, Mainwind im Haar, während es bei Ulm nur regnet. Hamburg, Frankfurt, eigentlich fehlt noch Berlin, denke ich. Aber schließlich bestücke ich kein Sammelalbum mit meinen Reisen. Nur die Pinnwand meiner kleinen Seele.

Die Unvorsichtigkeit in Person

Ich werde in einen Zug steigen. Und einfach sitzen bleiben. Bis ich das Meer riechen kann. Zumindest riechen. Ich werde aussteigen und lauter neue Schritte machen. Irgendwo. Am Elbufer.
Erst jetzt, Tage später, bemerke ich, dass ich Quatsch erzählt habe. Bezüglich meines Alters. Nicht absichtlich, sondern weil ich mein Alter nicht auswendig weiß. Rechne natürlich auch nie nach. Und dann erzähle ich Quatsch. Und anderen Quatsch. Dass jede Frau ein Paar goldene Schuhe haben sollte. Und mindestens ein Paar in Rot.
Gestern sprach ich mit einem Sänger. Mit der Unvorsichtigkeit in Person, wie er sich nennt. Schubert singt er und bügelt Hemden. Wir spielten, wir neckten. Natürlich weiß ich, wie elektrisierend Theaterküsse sein können. Und gewisse Erinnerungen.
Während er seine Rolläden herunterlässt, habe ich Caravaggios Holofernes im Kopf, immer noch. Von faustschen Pakten faselt der Sänger und von Wein. Sirene, sagt er zum Schluss. Träum süß, sage ich.

Verrückung

Wenn sich mein Blick nur um ein Quant verschiebt, kann ich das Paradies sehen. Höre zehnmal genauer, rieche Tulpen und Narzissen im Wind, sehe schärfer und schöner. Das Glöckchenlachen der Kinder perlt aus meinem Hals, als sei es immer dort gewesen. Die Musik ist zurück.
Ich träume von Segelschiffen, Planeten, Ruinen und Monden. Die Landschaft meiner Träume ist ein mächtiges Gemälde. Ein surreales Graffito, in dem ich mich verlaufen kann, ein weit geflügeltes Triptychon, meine eigene Sixtinische.
Ob es Schwalben oder Mauersegler sind, die ums Haus fliegen, kann ich nicht sagen. Mein Kaffee ist schwarz wie ihre Flügel, schwarz wie die Nacht. Das russische Ölbild wirkt an meiner weißen Wand noch zierlicher und wertvoller als im Esszimmer meiner Großmutter. Sie hat es mir geschenkt, samt einem alten chinesischen Teegedeck. Selten bekomme ich Geschenke, an denen so viele Geschichten hängen. Ich mag das Bild, ich mag die hauchfeinen Tassen. Sie erinnern mich. Glitten in meine Welt als hätten sie immer schon mir gehört, keine Fremdkörper, sondern alt und vertraut. Vielleicht, denke ich, wusste meine Großmutter das.
Eigentlich will ich nur hier bleiben, um ein Quant verschoben. Die Ameise gehört so sehr auf ihren Stein wie ich in meine Verrückung.

Weltbetrieb

Später dann. Wieder die Wut. Ihr könnt mir meine Zeit nehmen, aber niemals meinen Willen. Mag der Weltbetrieb in biblischem Ausmaß über mir zusammenschlagen, während Gott keine einzige Welle für mich teilt, ich halte den Kopf oben. Zwischen den Zeilen lebe ich weiter. Auch wenn dort keiner liest. Lasst mich fluchen.