Ein Akt als Minnesängerin im Nachtgewand. Dann einer als Mondvogel mit Weinglas. Schließlich, und drittens, als soziales Chamäleon im Karorock. Blaues Loungeleder und rosa Cocktails, schöne und hässliche Menschen zwischen den Planken und Klampen des Pier. Und finally, wenn es Sushi zum Frühstück gibt, ist die Welt in Ordnung.
Die Neue
Wenn ich die Wahl zwischen dem Nichts und dem Schmerz hatte, wählte ich immer den Schmerz. Irgendwoher kenne ich diesen Satz und verstehe ihn leider viel zu gut. Trotzdem, denke ich, ist es vielleicht an der Zeit, ein wenig Nichts zu üben. Bald werden die Wahlmöglichkeiten wieder rosiger ausfallen. Geduld, Geduld.
Zumindest, denke ich, kann ich arbeiten. Ich richte mir eine Schreibstube auf dem Balkon ein. Tisch, Stuhl, Sitzkissen, Wasserflasche, Laptop. Die Sonne wandert um mich herum. Nachbarn gehen vorbei und sehen hoch. Ich fühle mich schmal und zaghaft, wie frisch ins Sanatorium eingeliefert, die Neue. Die wenig redet und stattdessen mit den Katzen in der Wiese schmust. Die die Meisen auch im Sommer füttert.
Von Pferden träumen
Lippenstift, sagt der Fotograf, solle ich kaufen, im selben Rot wie das Sofa. Ich kaufe also Lippenstift und eine grüne Tasse, die mich an Gehöfte im Norden Deutschlands denken lässt. Und an Pferde. Von Pferden träumte ich letztens, fällt mir ein. Die Tasse ist so breit, dass ich sie zum Trinken lieber mit zwei Händen halte.
Verliebtheit löse Rauschzustände aus, wie harte Drogen, sagen sie. Das sei jetzt der Entzug. Ich frage mich, ob mit einer ordentlichen Dosis Selbstverliebtheit der Cold Turkey in den Griff zu kriegen sei. Greife einstweilen auf Musik zurück. Radiohead, Wax Tailor und Blockhead gemischt mit allem, was hart ist. Als die neue Droge leicht und schnell einschlägt, blinzle ich, im Aufwind eines neuen Highs, ermutigt und dankbar auf meine extensive Musiksammlung in den roten Regalen hinüber. Solange es Musik in meinem Haushalt gibt, darf es auch idiotische Männer geben. Dass ich bisweilen genauso idiotisch bin, muss ich wohl nicht betonen.
In der Welt sein
Niemand kann unter dem Zustand der Welt und der Leute leiden, und dabei keinen Schaden auch an der eigenen Seele nehmen wollen, sagt mir ein alter Mann, mit Teetassen klappernd. Ich lege meinen Kopf an seine Schulter. Ein bisschen emotionaler Selbstmord, das liegt mir wohl. Die Reaktion der Leute auf meine Art, in der Welt zu sein, ist bisweilen ein seelenloser Schnellzug, bestens dafür geeignet.
Der Alte hatte mich ans Meer geführt, vor einigen Tagen, als hätte er gewusst, dass ich dorthin will. Vielleicht, denke ich dann, hatte er nur aufmerksam mein Tagebuch gelesen. Es spielt keine Rolle, denn beides ist gut. Da sitzen wir jedenfalls wieder, in den Dünen, und irgendwann gehe ich weiter, genug Tee, mir ist wieder warm.
Mittags
Mittag und die Grillen zirpen. Zwei Zigarillos und ein Brief nach Paris, der ungewöhnlich lang und flirtatious geraten ist. Flirtatious, warum es dafür kein deutsches Wort gibt, frage ich mich. Ich gehe nach draußen, nehme Nüsse für die Meisen mit. Ich zerbreche mir den Kopf anderer Leute und die Nussschalen unter meinem Schuh. Schließlich entscheide ich mich für eine Kopfschmerztablette und singe in leisen Tönen ein bisschen Wahrheit in die Welt hinaus. Die Wahrheit ist, dass der Frankfurter Yuppie, der Rosenkavalier und der Prinz derselbe sind und die Luft zwischen Genf und Frankfurt nur deshalb so dünn wurde, weil ich den Kopf verloren hatte. Gestern fand ich ihn wieder, bei Michael Bublé. And this old world is a new world and a bold world for me.