Holla

Ich besuche mal wieder meinen Freund Vampyrotheutis infernalis. Lege Köder aus und bin entzückt, wenn fremdes Federvieh in meiner Schale badet. Verschlinge in Ermangelung anderer Fleischlichkeiten ein Päckchen Hühnerherzen. Und verhalte mich still, obwohl ich mich immer angesprochen fühle, wenn jemand sagt: Holla die Waldfee.

Durch Mauern

Der feine Unterschied zwischen Glück und bloßer Zufriedenheit. Der feine Unterschied, ob die Musik Dir unter die Haut geht oder Dich nur äußerlich betatscht. Der feine Unterschied zwischen Tanz und einer eingeübten Schrittfolge.
Langsam auftauchen, die Oberfläche zerperlt. Du fragst Dich, wo Du gewesen bist. Ein Wochenende im Nebel, im Feuer, verhexte Herbsttage, gemeinsam durch Mauern rennen, zu dritt, Gruselfilme, Grabkerzen, Cocktails. Ich breche ein neues Kapitel an wie eine Tafel Schokolade. Die Ferien kommen, ein lang erwarteter Regen.
Er sagt, ich sei tatsächlich eine Kaugummifrau, aber im Geiste, in seinem Traum. Meine eigenen Träume sind seltsam, diesmal. Ich träume Form ohne Inhalt, Logikträume, Syntaxträume. Mein Wochenende ist das genaue Gegenteil dieser Formalorgie: Es zerbirst vor Inhalt und die Form hinkt hinterher.

Kaugummifrauen

Gegenüber führt ein junges Paar eine englische Bulldogge spazieren. Die Frau linst per Seitenblick durch meine Fensterfront herein, der Mann hat sanfte Augen. Die Bulldogge wühlt im Laub.
Während die Leute in meinem Umfeld beginnen, sich breit zu machen, Tentakel bekommen, sich fortpflanzen und im Gelände festwachsen, mache ich ungefähr das Gegenteil. Ich verdichte und kondensiere, schleife alles von mir ab, was ich nicht brauche. Ich fühle mich manchmal wie ein kleines technisches Wunderwerk in diesem Meer menschlicher Ursuppe, von dem alle Säfte und Sekrete abperlen, rückstandslos.
Natürlich bin ich keine Maschine. Natürlich bleibt immer etwas kleben. Sich auch beim Frühstücken noch in die Augen zu sehen ist außerdem schön. Und doch mache ich irgendwas anders. Ich hinterlasse keine Flecken. Ich bin keine Kaugummifrau, die Du nicht mehr aus den Haaren kriegst.

Mintgrün

Irgendwas läuft immer. Manche Quellen versiegen nie. Wie mein Kunstlehrer mir das prophezeihte.
Ich komme zu spät nach Hause, in grünen Westernstiefeln, nicht rauchend jedoch. Lege eine Gesichtsmaske auf, die seit Monaten im Bad herumlag sich wie erwartet als mintgrün erweist. Rosen werden neben Rosen alt, die Maske trocknet. Ich bade mit Fichtenöl, Ylang Ylang, Melissenbad, Vanille oder Rosmarin, weil Baden allein für unsere dekadente Zeit zu langweilig geworden ist. Sollte vielleicht Platon oder Popper oder Mann oder Schopenhauer lesen und lese stattdessen eine Dänin. Ich höre das Gerede der Jungs von nebenan, es macht mich ein wenig scharf. Träufle das Wasser von Salatblättern in meinen Mund, bevor ich Häschen spiele. Später wickle ich mich in lila Frottee. Und jetzt tippe ich.
Willkommen übrigens. Es ist schön, dass Du hier bist. Dass Du meine Route kreuzt. Willkommen, selbst wenn ich Dir ein Horn im Auge bin. Und Du trotzdem liest. Oder deswegen.