Blindfügig, will ich sagen. Unfug und blindlings und gefügig, schwingt alles mit. Und tatsächlich fühle ich mich fatalistisch schmiegsam heute. Schmiege mich also ein bisschen an mich selber und die umgebenden Dinge. Die komfortable Distanz, die Gelassenheit, ich frage mich, ob man davon zu viel haben kann. Mit Gallseifenfingern, die Wäsche trocknet gerade, taste ich nach dem Weinglas.
Mit den Worten kommt die Laune zurück, Schwellmond, Hellmond, Volltrottel. Zwischen Geduld und Ungeduld ist eine Menge Platz fürs Tun. Heute morgen, einen Weg durch den philosophischen Busch schlagen, einen gangbaren Pfad suchen, für die Anderen. Wo es nicht nur ein Durchkommen gibt, sondern auch noch nette Aussicht. Gestern, ein paar bewegten Erdbeerbildern hinterherjagen, einen Tontechniker vermissen und über Voice-overs nachdenken. Vorgestern, der Trucker mit der Lederweste, die am Rücken ganz platt gedrückt war vom vielen Sitzen, bestellte sich was. Vielleicht trug er ein Toupet. Vorgestern, im Ulmer Stadthaus, lesen.
»Reife des Mannes: das heißt den Ernst wiedergefunden haben, den man als Kind hatte, beim Spiel«, zitiere ich Nietzsche. Mein Gegenüber setzt gern seine Träumerblicke auf, auch wenn er dabei Anzug und Krawatte trägt. »Ein Baumhausbau war damals ein episches Großprojekt«, sagt er. Und ich will ihn küssen. Aber das geht ihn im Moment nichts an.
Kopfkino trifft Kiesewetter
Holla
Ich besuche mal wieder meinen Freund Vampyrotheutis infernalis. Lege Köder aus und bin entzückt, wenn fremdes Federvieh in meiner Schale badet. Verschlinge in Ermangelung anderer Fleischlichkeiten ein Päckchen Hühnerherzen. Und verhalte mich still, obwohl ich mich immer angesprochen fühle, wenn jemand sagt: Holla die Waldfee.
Durch Mauern
Der feine Unterschied zwischen Glück und bloßer Zufriedenheit. Der feine Unterschied, ob die Musik Dir unter die Haut geht oder Dich nur äußerlich betatscht. Der feine Unterschied zwischen Tanz und einer eingeübten Schrittfolge.
Langsam auftauchen, die Oberfläche zerperlt. Du fragst Dich, wo Du gewesen bist. Ein Wochenende im Nebel, im Feuer, verhexte Herbsttage, gemeinsam durch Mauern rennen, zu dritt, Gruselfilme, Grabkerzen, Cocktails. Ich breche ein neues Kapitel an wie eine Tafel Schokolade. Die Ferien kommen, ein lang erwarteter Regen.
Er sagt, ich sei tatsächlich eine Kaugummifrau, aber im Geiste, in seinem Traum. Meine eigenen Träume sind seltsam, diesmal. Ich träume Form ohne Inhalt, Logikträume, Syntaxträume. Mein Wochenende ist das genaue Gegenteil dieser Formalorgie: Es zerbirst vor Inhalt und die Form hinkt hinterher.
Kaugummifrauen
Gegenüber führt ein junges Paar eine englische Bulldogge spazieren. Die Frau linst per Seitenblick durch meine Fensterfront herein, der Mann hat sanfte Augen. Die Bulldogge wühlt im Laub.
Während die Leute in meinem Umfeld beginnen, sich breit zu machen, Tentakel bekommen, sich fortpflanzen und im Gelände festwachsen, mache ich ungefähr das Gegenteil. Ich verdichte und kondensiere, schleife alles von mir ab, was ich nicht brauche. Ich fühle mich manchmal wie ein kleines technisches Wunderwerk in diesem Meer menschlicher Ursuppe, von dem alle Säfte und Sekrete abperlen, rückstandslos.
Natürlich bin ich keine Maschine. Natürlich bleibt immer etwas kleben. Sich auch beim Frühstücken noch in die Augen zu sehen ist außerdem schön. Und doch mache ich irgendwas anders. Ich hinterlasse keine Flecken. Ich bin keine Kaugummifrau, die Du nicht mehr aus den Haaren kriegst.