Naschen

Ich träume verbotete Geschichten. Ich gehe von Prüfung zu Prüfung. Ich esse gelegentlich und gelegentlich zu wenig. Ich träume viel zu viel. Ich steige aus dem Wagen, die Sonne ist vor wenigen Minuten aufgegangen, und habe einen tiefsitzenden Ohrwurm, will tanzen. Ich eile die Treppen hinauf und sage: Morgen, Max. Ich zähle Zuckerwürfel. Ich drücke den Kaffeeknopf. Manchmal merke ich erst am Zurücklächeln der Leute, dass ich ein Lächeln auf den Lippen habe. Das Innere meines Kopfes ist eine Szenebar voller schöner Menschen. Ein schwirrender, glitzernder Raum. Beschwipst ohne Alkohol. Ich nutze den Tag, ich pflücke den Mohn, ich nasche vom Honig. Was ich verschwenden kann, verschwende ich.

Den Sommer riechen

Wenn eine Mauer langsam zerbröckelt und Du merkst, dass sie auch nur aus Ziegeln bestand. Die letzten Steine fallen fast von selbst heraus. Another brick in the wall. Teacher. So fühlt sich die Zeit vorm Abi an, wenn Du weißt, dass es kein Hexenwerk sein wird. Wenn die Ruhe einkehrt und Du schon den langen Sommer danach riechen kannst. Ich kaufe mir sogar ein Sommerkleid, das genau wie meine Stimmung aussieht. Manchmal muss ich kein Bild malen, auch nicht mit Worten. Manchmal hängt, was ich suchte, einfach auf einem Kleiderbügel. Das sind die Klamotten, die schon im Kopf des Modedesigners wussten, dass sie mal mir gehören würden. Ulm, Aalen, Stuttgart. Nürnberg, München, Berlin. Hamburg, Stockholm, Bonifacio und alles darüber hinaus. Meine Welt fühlt sich überschaubar an, heute. Und ich kenne nun die Steinernen Jungfrauen. Lese, dass sie auch die sündigen Jungfrauen genannt werden. Weiß, dass ich in Spazierweite davon arbeiten werde und freue mich darauf. Ich werde Kunst unterrichten, heißt es. Zwischen Stadtpark und Hallenbad, am Rand des Biberparadieses.

Zuckerinseln

Der erste März ist alles in allem ein guter Tag. Ich kann krank sein und gute Tage haben, natürlich. Zu schwach für die Draußenwelt bin ich trotzdem die Queen in meinem kleinen Reich zwischen Bett, Hifianlage und Badewanne. Irgendein Infekt, keine Ahnung. Der vierte März ist auch gut, der fünfte vielleicht noch besser. Regen fällt und eine Amsel singt. Am sechsten schneit es wieder. Eine Zeit lang war es unruhig in mir, Rauschen, geistiger Tinnitus. Eine Zeit lang hatte ich einen zweifelnden Wirrkopf auf. Auf nebligem Feld in ein Verwirrspiel für Zuvieldenker verwickelt. Dann, meine Melodie beginnt wieder zu spielen, klar und unverwechselbar. Nicht etwa beim Konzert von The Prodigy, nein. Am Tag danach, als ich kleine Zuckerinseln im Cappucino versenke. Was heute ist.

Buntes Nest

Manchmal trinke ich Cola, Kaffee und Martini durcheinander oder ähnlich wilde Kombinationen. Manchmal treffe ich Entscheidungen unter Wasser. Was mir aber erst auffiel, nachdem ich sie getroffen hatte, in der Badewanne untertauchend. Vielleicht weil’s ruhiger ist, da unten, trifft es sich dort besser. Manchmal schreibe ich Manchmalsätze. Und immer wieder gibt es Bauklötze zu staunen. Zum Beispiel wenn ein Ulmer Taijilehrer mir seine Lebensgeschichte erzählt. Zum Beispiel wenn ein abgeklärter Elektromusiker mir neurolinguistische Programmierung erklärt. Zum Beispiel wenn ein Medienkünstler und sein Schlagzeugerfreund volle Angst voraus leben. Oder jeden Tag, wenn ich in einem Meer aus Menschen bade. Da verstecke ich das Staunen manchmal und lasse es erst abends heraus. Dann wandert es im Kreis um meinen Schreibtisch und streut Blumen. Als ich noch zur Schule ging, wurde ich mit einer kleinen Orgelpfeife zum Klangritter geschlagen. Der Klangkönig und Organist stand leicht erhöht und war ein merkwürdiger Mann, den ich liebte. Ich war eine Schülerin, eine rothaarige Hinterfragerin mit Bernsteinkette, eigentlich gar nicht so anders als heute. Klangritter, Poeten und Nerds, ein paar Normalos und die ständigen Danebengreifer. Meine Welt und ihre Bewohner sind ein buntes Nest.

Suchanfragen sichten

Zeit für eine neue Sichtung der Suchanfragen, denke ich. Was die Netzvagabunden in den Fairy Club führte und über meinen roten Teppich stolpern ließ. Zugegeben, die meisten suchten wirklich nach mir und meiner alten Villa. Aber es gab auch welche, die eigentlich zu Kai Wiegandt oder Hans Peter Nutzinger wollten. Wieder andere wollten auf den Friedhof von La Rochelle, tatsächlich. Manche suchten Erdbeerbilder, Feenfotos und Metaphern für die Liebe. Einer wollte ficken im Jugendstilbad. Keine schlechte Idee. Erstaunlich vielen ging es um ein tödliches Ende und ich frage mich, ob das etwas mit dem depressiven Roboter aus der Anhaltergalaxis zu tun hat. Sie suchten Schwimmbadfarbe, bodenlange Nachthemden und rosa Hüpfbälle. Sogar Endes Spiegel im Spiegel führte jemanden zu mir: Der Sohn hatte sich unter der kundigen Anleitung und so weiter. Wie liebe ich diese Geschichte. Und wie oft habe ich sie vorgelesen.