Wiesenwind

Das Fenster weit auf, durch die milde Luft treiben ein paar rote Blätter. Ich halte meine Nase tief in den Kaffeepulverduft. Morgenluft, die eigentlich Mittagsluft ist. Und andere Gerüche. Lipgloss, der Pfirsisch nachmacht, Chlorgeruch im Badetuch. Dunkelgrüner Dschungelduft, wenn ich die Nase in meinen Farn stecke. In der Küche Futtermief und wasabiwürziges Kühlklima. Immer wieder frischer Buchgeruch, manchmal fülliger Weinflor, Aromakondome oder das Dampfen einer korsischen Fischsuppe. Meine Finger riechen nach Laptoptasten, mein Shirt nach mir, mein Haar nach Kopfkissenwolke. Pfannkuchenschwaden wehen über den Balkon. Und Wiesenwind. Seit gestern kenne ich einen blutjungen Priester, der nach Pfefferminze riecht.

Grundwasserbaden

Jedes Mal muss ich mich auf den Grund zurückgraben. Ins Grundwasser vordringen. Bevor Trinkbares fließt. Es ist anstrengend. Aber einer muss die Brunnen ja graben. Die wenigsten wissen, wie gut man sich an diesem Wasser besaufen und berauschen kann. Es wirkt besser als jeder Alk, sanfter als jede Pille, stärker als jeder Schuss. Nicht, dass ich Ahnung davon hätte. Aber es geht mir brilliant, wenn ich Grundwasserbaden war. Später, und langsam setzt die Müdigkeit ein, kommt einer herein und bringt mir Sushi. Die Nachbarn schreien heute zur Abwechslung nicht Zeter und Mordio. Ich gieße mir ein orientalisches Hammambad ein. Was immer es enthält, es riecht gut.

Beuteschema

Ich liebe Haie und Hengste, Kauze und Steppenwölfe, Schöngeister, Schönlinge und Familienväter, kaisertreue Haudegen und linke Socken, Großmäuler, Mimosen, Nerds, Künstler und Konsumenten. Ich habe kein Beuteschema.

Goldrandwolken

Goldrandwolken hinter Ulm, postkartenschön. Windreiter, wie ich, Herbstreisende. Schließlich hinein in den Wendlinger Regen. Den nächsten Tag im schulterfreien Lieblingspulli bestreiten, Thaisuppe und Sushi. Abends Bankhengste und Krawattenträger treffen, vor der Glastür Stuttgarter Nutten, eine Bar im Rotlichtviertel. Die Geldmenschen baden im Flair des Käuflichen, und ich auch, koste Lillet und guten Weißwein. Ich bekomme neue Lebensgeschichten erzählt. Lese in Mündern und Augen, so gut ich kann. Jeder reimt sich so sein Leben zusammen. Ich reime mit. Werde frech. Werde missverstanden. Werde müde und wieder wach. Irgendwann suche ich das Weite. Aber die Bankstergeschichten laufen mir hinterher, lecken meine Hände, sitzen schließlich vor der Matratze bei Fuß. Ich träume von Insektenschwärmen. Morgens im Spiegel habe ich noch dieselbe Frisur wie in der Weißweinnacht. Dreiwettertaft, ein Filmaufwachen, frisch frisiert. Naja, halbfrisch oder viertelfrisch, eine verpennte Morgenfee. Heute, arbeitsam, zurück in der Pampa, ein Kneipenfrühstück wie aus dem Bilderbuch, Rührei, Toast, Schinken, Camembert, Trauben, Melone und so weiter. Nach dem Schreiben werde ich die Ledernadel holen, mir einen Hippiemantel passend nähen, das Geschenk einer Flohmarktgängerin, mir Kräutertee machen und einen Blick in den Kühlschrank riskieren. Und das Erkältungsbad nehmen, das ich dringend nötig habe.