Pfeilhagel

Ein paar Minuten lang versinkt alles im Staccatissimo der Böller. Es werden so viele Feuerwerke auf einmal gezündet, dass der Lärm als zersplitterte Explosion auf uns herabregnet. Überall Funken und Licht. Und ein Pfeilhagel aus Feuerwerksstäbchen. Das Münster verschwindet in Dunst und Rauch. Aber Du hörst es noch. Das große Geläut, womit das neue Jahr beginnt.

Kaviarmaul

Es schneit. Ich weiß, wenn ich ins Warme komme, verwandelt sich der Schnee in meinem Haar zu Perlenschmuck. Und ich habe es mal wieder geschafft. Die Tage wachsen ineinander. Ich komme wie frisch aus dem Ei gepellt aus der Badewanne, wo ich ein abendliches Frühstück eingenommen habe. Ich räkle mich. Dufte, schwimme in Annehmlichkeiten, verliere mich ein wenig darin. Ich suche ein Bild dafür und denke, dass mir der Kaviar eigentlich links und rechts aus dem Maul quellen müsste. Der Januar lugt schon geheimnisvoll über den Jahresrand. Dich kriege ich, Freundchen. Umgeben von teurer Technik, umspült von Musik, blättere ich mein Album anregender Gedanken auf. Es gibt Menschen, die ich benutzen kann wie kleine bunte Pillen. Nach wenigen Kopfkinoszenen bin ich schon high. Der Kaffee tut ein Übriges. Ich will heute Nacht tanzen oder schreiben, denke ich. Neun von zehn Malen schreibe ich dann.

Sechsspurig

Der Luxus, den es darstellt, den Duft des Tages zu tragen. Ich wähle zwischen frisch limonig, füllig blumig, herb mediterran und cremig süß. Ich unterhalte mich mit Märchenprinzen und Grenzwertpädagogen, mit Gitarristen, Christen und Japanliebhabern. Es gibt Sushi am laufenden Band. Ich lebe in einer Welt, die schreiend bunt ist, in einer Großstadtwelt, in meinem Kopf, voller Taxen, Bars, Bahnhofsbuchhandlungen und Hotels. Alles steht unter Strom, ich segle übers Lichtermeer. Mein Kiel reitet Menschenwellen, Samstagsgesichter, Shoppingmeilenschwärmer. Wie sich unter mir Tiefgaragen in die Erde und über mir Hochhäuser in den Himmel graben, ein gewaltiges Stahlgewächs. Sechsspurig, großspurig, ich gehe halbblind über rote Ampeln. Eitel, satt und Henry Miller lesend. Du bekommst das Mädchen aus der Stadt, aber nicht die Stadt aus dem Mädchen.

Zum Nikolaustag

Weihnachten soll verrecken. Ich bin traditionssatt. Behaltet eure Predigten für euch. Behaltet eure Christenfeste, die von oberster Stelle verordnet werden, ob ich will oder nicht. Lasst mich doch endlich mit dem Firlefanz in Ruhe. Bin ich nicht langsam alt genug. Lasst mich meine eigenen Feste feiern. Derer gibt es genug. Ich beschenke, ich liebe, wen ich will, wann ich will, in flirrender Sommerhitze, im herbstlichen Sturm. Ich schenke gern. Aber lasst mich frei in meinem Schenken. Lasst mich kommen und gehen, wie ich will. Oma ist enttäuscht, dass ich an Weihnachten nicht da sein werde. Sie will den immergleichen Tag wiederholen, in der Kirche mit der miserablen Orgel, dem peinlichen Chor, dem schläfrigen Pfarrer. Nein Oma, ich bin kein Kind mehr und will keins sein und keines haben. Nicht so.

Nacht und Nebel

Ich beginne meine Reise an einer jener Tankstationen, die überall gleich aussehen. Das Nirgendwo beginnt, sobald mein Wagen auf die beleuchtete Insel rollt. Eben noch war ich an einem Ort, den ich mit viel gutem Willen ein Zuhause nennen könnte. Plötzlich könnte ich überall sein, die Zapfsäulen sind gleich, die Parkplätze, die Leuchtschriften sind gleich, die Zeitschriftenregale und das Snackbuffet, alles gleich. Bei solcher Nacht und solchem Nebel ist meine Kapsel Musik alles, was übrig bleibt, sobald ich eine gewisse Geschwindigkeit überschreite. Ein Cockpit voller kleiner Lampen, angenehm warm, das Motorengeräusch versinkt in Gleichförmigkeit. Es ist sinnlos, an eine Welt zu denken, da ist keine. Die dünne Außenhaut des Wagens ist auch meine Haut geworden. Gelegentliche rote und weiße Lichter tupfen eine Minimalstruktur ins Nichts. In blindem Vertrauen, dass die Straße kein jähes Ende haben wird, rausche ich weiter und weiter.