Es gibt Tage, die Dir mit einem Mal eine ganze Stange Glück schenken. Dann ist es gut, eine Küche zu haben, die groß genug ist, darin zu tanzen. Anschließend liegt die Stange Glück da wie eine Droge. Du pulverisierst das Zeug. Du lachst. Zitterst ein bisschen, willst alles nehmen, willst Dir den goldenen Schuss geben. Aber aus irgendeinem Grund geht es nur tröpfchenweise. Die Realität und ihre Beschaffenheit retten Dir das Leben. Du würdest so gern am Glück zu Grunde gehen. Wie der Falter im Licht verglühen. Naja. Vielleicht solltest Du froh sein.
Da capo
Wenn die Musik den Raum flutet, beginnen meine Muskeln von allein zu spielen. Als würde ich selbst diesen Flügel bearbeiten, als wäre es mein Schweiß, der an den Basssaiten klebt, als wäre ich der Tänzer, für den eigens dieses Stück geschrieben wurde.
Ich fresse mich in die Musikwelt hinein wie eine Säure. Dringe tiefer und tiefer ein, verschlinge, verarbeite. Vielleicht ist es in Wirklichkeit die Musik, die mich verschlingt, mich verarbeitet. Crescendo. Espressivo. A capriccio. Cantabile. Da capo. Da capo al niente.
Brandpfeile
Ich stöbere in meiner Vergangenheit. Und finde die Spuren einer törichten Verliebtheit. Sie schießt feurige Pfeile bis ins Jetzt. Es gibt Menschen, deren bloße Existenz aufregend ist.
Papplibellen
Am Morgen baue ich mit italienischen Kindern Windräder. Die Rotoren sind rotweiß, steife Papplibellenflügel. Mittags gibt es kein Essen, sondern ausgiebigen Schlaf. Am Nachmittag hole ich frische Blumen und einen Kasten Bionade ins Haus. Abends kommen die Lachsbrötchen, Blätterteigtaschen und mandelpanierte Filets. Und schließlich die ersten Gäste. Man verliert sich in guter Musik, schlechten Witzen, Weihrauch und Wermutspirituosen. Gegen Mitternacht ist alles im Gang.
Wie eine Besessene nähe ich alte Baumwollreste zu einem Vorhang zusammen. Ich schreibe bunte Postkarten. Aus den Listen und Schablonen anderer Leute bastle ich ein eckiges Gedicht. Ich skizziere Schirme, Menschen und seltsames Gezwiebel. Ich jage meinen Schatten.
Silbenweise
Ich atme die Herbstluft. Ein paar wenige Sträucher kommen erst jetzt zu voller Blüte. Ich hole mir eine Dolde rosafarbener Hortensien herein und einen Bund tiefvioletter Blüten, deren Namen ich nicht kenne. Manchmal finde ich eine Tüte Äpfel oder Quitten vor der Haustür. Ein paar Vögel haben bereits begriffen, dass mein Hinterhofgarten eine lohnende Anflugstelle für den Winter sein wird. Sie bevölkern die Teppichstange, trippeln um die Tränke und wenn die Futterglocke leer ist, durchkämmen sie den Rest des Hofs. Gefiederte Miniratten.
Wie ich da vor die Haustür trete, komme ich gleichzeitig aus einem tiefen Loch, das nur zwei oder drei Wochen lang war und sich doch wie eine trostlose Unendlichkeit anfühlte. Wer immer im Hier und Jetzt lebt, dem wird jeder Tag zur Ewigkeit. Ich zittere noch ein bisschen. Außerdem habe ich erhöhten Taschentuchverbrauch und brühe mir einen Bronchialtee nach dem anderen auf. Endlich habe ich wieder etwas Zeit zu lesen. Ich finde ein schwedisches Buch und bin entzückt, wie viel ich noch verstehe. Dabei sollte ich eigentlich Italienisch lernen. Ich skizziere Schirme. Ich habe ein bisschen Angst, die Löcher in meinem Leben könnten mehr und tiefer werden. Ich erkundige mich nach Klaviertransporten. Und fische mein Selbstvertrauen silbenweise unterm Sofa hervor.