Luxusleben

Kindheitsbilder, Ferientage, Mittelalterlager, eigentlich weiß ich ja schon lange, dass Zopffrisuren erst richtig gut aussehen, wenn ich ein paar Stunden auf ihnen geschlafen habe. Oder mit ihnen durch Wälder und Gärten getobt bin. Frechflüchtige Strähnen auf dem braven Mädchenkopf, wetterfühlige, windhörige Strähnen, die mir über die Augen wehen. Die Ferien fühlen sich immer noch so an, Zopftage, Kindertage. Dabei sollte ich längst erwachsen sein.
An bedeckten Tagen gehe ich ins Freibad und habe es für mich allein. Mit etwas Glück kommt zwischendurch für zwanzig Minuten die Sonne heraus, das Licht tanzt auf meiner nassen Nase, das Wasser beginnt feudal zu glitzern. Unverschämt wellenlos liegt es da. Ich springe kopfüber hinein, aale durch das türkisgrüne Becken, ungestört, habe mehr Platz als ich jemals einnehmen könnte. Ich brauche keine Villa für ein Luxusleben.

Hier entlang

Das Gewitterblau und das Kaffeeschwarz liegen Seite an Seite, zwei tiefe Seen. Der Gartendreck an den Füßen und das Regenwasser im Haar finden ihren Weg ins Nimmerland meines Betts. All die Musik, die ich noch nicht gehört habe, Jack und Friedrich und auch ein paar lebende Männer treiben mich um. Die Bücher, die Worte, der Gepard im Geiste, von null auf hundert in drei Sekunden. Und die Menschen, all die schönen Menschen, Geschwister, die ich niemals hatte. Eine aufsprudelnde Idee, seit Hamburg lässt sie nicht los, mächtig wie der Strom der Zeit. Die wird tragen. Mich mitreißen. Hier entlang.

Tagträumer und Nachtschwärmer

Ich verbringe die Nacht am See. Ins Wasser getauchte Hände flattern ineinander, wie von selbst, als gälten unter Wasser andere Regeln. Stieben wieder auseinander, erschrocken fast. Am anderen Ufer malen die schwarzen Bäume ihre Reflexionen ins Wasser. Bäume und Spiegelbäume, wie umgestürzte Schachfiguren sieht das aus, ein geschlagener Läufer, eine geschlagene Königin. Oder wie eine einzige, horizontfüllende Wave. Zu gern hätten wir die Datei abgespielt. Stattdessen hören wir den Fischen beim Springen zu. Von fern die Autobahn. Im Gebüsch trippeln Tiere. Wir selbst machen Geräusche, atmen, schnalzen, fiepen, Quatschköpfe, komische Kauze sind wir. Verstandestiere auch und Genussmenschen, Jäger und Körperwärmesammler, Tagträumer und Nachtschwärmer. Irgendwann beginnen die Vögel zu zwitschern. Wir stehen auf und gehen schlafen. Ich träume von einer Abenteuerreise an der Küste Korsikas, mit zwei Männern auf einem seltsamen Floß, einem Konglomerat aus Holz, einigen Luftmatratzen, irgendwo hängt auch ein Gummiboot und einige Surfbretter dran. Der Traum trägt meine Stimmung ungebrochen weiter.

Goldmohn

An der Elbe und an Seen die Tage verbracht. Hafenluft geschnuppert und an den Seen grasgrüne Frösche gejagt, in eidechsenumtrippelter Ruhe, die Füße zwischen Fischen. Gärtnereien und fremde Lebensläufe erkundet. Außerdem den feinsten und weißesten Sand Frankreichs in den Schuhen gesammelt. Mir Strümpfe beim Schaukeln zerrissen. Und jetzt, der kalifornische Mohn im Garten, schiebt seine Schlafmützchen hoch, mein Leuchtfeuer, mein Goldmohn.

Venusschnuppe

Die Rose überhäuft zwei Fensterrahmen mit Hunderten von Blüten, ist tags Hummeltummelstelle, nachts eine dösende Diva. Das Bäumchen neben mir ist bescheidener. Ich kenne weder seinen deutschen noch seinen botanischen Namen. Aber es hat gefiederte Blätter, die es nachts zusammenrollt, als schliefe es. Ich habe ein paar Zigarillos, die nach einer Party im Haus liegenblieben, mit nach draußen genommen, zu den Rosen, zum duftenden Unkraut, zu dem Gefiederbaum. Fingere einen der ledrigen Stängel aus seiner Schachtel, bin rausgekommen, weil kein Zimmer der Welt meine Nachtlaune noch fassen könnte. Mit einem Teelicht töte ich einen Seemann. Lege den Kopf in den Nacken, blase den Rauch senkrecht in den Sommernachtshimmel, in die Irrsinnstiefe dieser Schwärze. Gerade groß genug für meine Laune ist dieser Himmel, die Welt dürfte keinen Millimeter enger sein.
Später, ich habe an verbotenen Früchten geschnüffelt, unbekannte Süße, packe meine Reisetasche. Ich sei eine Sonne, sagt er, ganz im Dunst, hinter den Wolken, ein bedeckt vorüberziehender Stern, denke ich. In wenigen Stunden werde ich in Paris sein. Auch von dort wehen mir süße Neuigkeiten entgegen und eine Brise der Verwegenheit. Ich müsste aufgeregt sein. But I don’t give a fuck. Die Dinge finden ihren Weg. Ganz und gar nicht egal, aber auf eine beruhigende Weise schnuppe sind sie mir. Schnuppe auch ich, Venusschnuppe, sorglos, frei.