Mein Schlafrhythmus ist durcheinander. Ich arbeite zu langsam. Ich füttere die Goldfische im Nachbargarten. Erhalte Gesprächstherapie im Bett, habe Ideen und Herzklopfen, kuriere einen Fall von sozialer Überfressenheit aus. Paradiesvogel, schreit ein Mann aus dem Fenster und meint mich.
Ich wache auf einem Hügel auf. Die Sicht ist glasklar, bis in die Schweizer Alpen kann ich sehen. Der Schnee strahlt über alles herüber, über Zürich, den Bodensee, über Oberschwaben. Ich lächle unter meinem Sonnenhut hervor diesen Bergen und ein paar fremden Jungs auf ihren Fahrrädern zu, bin müde und elektrisiert zugleich, kühle meinen Nacken mit Brunnenwasser. Schön wie eine Erbsenblüte müsste man sein, denke ich, auch wenn das nicht genügen würde, auf Dauer. Und die Durchschlagskraft eines Güterzuges in voller Fahrt sollte man haben. Die Präzision eines Scharfschützen. Ein Anfang wäre das.
Finissage und Lesung zur Feenfabrik
Fee liest Lyrik – im Rahmen der Literaturwoche in Albstadt, und zwar am 30. September 2011, um 19.30 Uhr im LOGO! dasKreativbüro in der Lenaustraße 3. Die kleine, aber feine Ausstellung „Feenfabrik“ mit Fotos von Markus Maurer wird mit dieser Lesung als Finissage beendet. Abgerundet wird der Abend mit jazzigen Klängen von Duo Goldrain.
Wegfinder
Ich stifte ein Fest, das so lang ist, dass ein Gast zwischendurch von Ulm nach Stuttgart fahren kann, dort schlafen und wieder zurückkommen, weiterfeiern. Pianisten, überquellende Buffets, Tanzwut und Trinkseligkeit, Morgendämmerung im Garten, Aufbruch an den See, Musiker auf Decken verteilt am Strand, Gesang und Gelächter bis in die Nacht, Sand zwischen den Zehen und Trauben im Mund, manchmal umgekehrt. Müssten die Leute nicht irgendwann arbeiten, wer weiß, hätten wir vielleicht ein weiteres Morgengrauen überdauert. Sorglos, glücklich, aber nie zufrieden, wandle ich durch das alte Haus, knacke zwei der merkwürdigsten und deformiertesten Glückskekse, die ich je gesehen habe. Einer der Gäste hat sie mitgebracht, sie schmecken gut und erzählen von tanzenden Zulupriestern und Sphinxnaturen. Ich verlebe Musentage und erleide Mückenstiche, der Preis des Sommers, den ich gern und willig zahle. Ein blutbezahlter, festtrunkener, wilder Sommer, denke ich. Ein Wegfindersommer, ein unbändiger.
Sternschnuppen eimerweise
Ich sehe mir Statistiken an, Webstatistiken, die Statistiken der alten Villa, mit welchen Suchbegriffen die Menschen in meinem Club landen. Augustlaune. Krawattenrock. Ficken im Jugendstilbad. Feenschaukel. Kaviarmaul. Sensenmann. Meine Worte, losgelöst, vereinzelt, durch fremde Köpfe schwirrend, in fremden Zusammenhängen, ermuntern zum Eintreten in das altehrwürdige Tor. Brotkrumen, Lockstoff, Sprachpralinen.
Und immer wieder die Tage, an denen ich in diejenigen Fahrwasser zurückgleite, in denen ich gern den Rest meines Lebens verbringen würde. Es wird nicht gehen, nichts ist perfekt, aber es gibt sie. Die Stunden, in denen mir Sternschnuppen eimerweise in den Schoß fallen. Nächte, in denen ich Zentauren reite. Umarmungen, die mich durch die Luft wirbeln wie ein Kind. Eingebungen, die so sicher sind, dass ich heulen könnte vor Gewissheit.
Ein Blick aus dem Fenster, Sonne, Wolken, ein taubenblauer Mix. Alles nach Plan, sage ich. Selbst wenn später ein Sommerschauer niedergehen sollte, was kümmert’s uns. Macht Regen doch nur jeden Duft intensiver, jede Pore empfänglicher, kitzelt, neckt.
Quarkköpfe
Wassertage sind es, Regentage und Seetage, Badetage und Federplustertage, ich gehe Bachpfade und Donauwege entlang, in Gummistiefeln. An den Händen trage ich kleine Schnitte, vom Gras, vom Papier. Ich pflanze einen Ginkgo in den Garten, lecke Zitroneneis, grünweiß, mein Sommer. Irgendwann sitze ich im Literaturhaus in Stuttgart und weiß, dass ich wiederkommen will. Ich lege den Kopf schief, wenn mich ein Gehörtes berührt. Ein andermal lande ich inmitten einer Ansammlung von Codern und riesigen Partypizzen. Ich schnorre von den Bierflaschen und lasse mich mittreiben. Manchmal, wenn ich aufwache, weiß ich nicht, wo Tür, wo Wand, wo Fenster. Ich hüpfe zu Rock ’n‘ Roll durch die Küche, warte ohne zu leiden, trinke ohne betrunken zu sein, tanze und werde nicht müde. Sie sagen, dass Träume immer besser seien als die Realität. Quatsch, sage ich, Bullquatsch. Lebt traumhafter, träumt realistischer, ihr Quarkköpfe.