Sonntagmorgen

Aus einem zerwühlten Sonntagmorgenbett frisch in den Park gefallen, zwischen die Enten und den Nebel. Ich finde den Ort, wo höchste Geistesabwesenheit und Geistesgegenwart sich treffen. Ich muss den Blick senken, um die Passanten mit diesem Strahl aus Klarheit nicht einfach wegzufegen. Ich bleibe an Orten stehen, weil sie gut riechen, Herbstpflanzen, Bachuferduft. Auf dem Heimweg sehe ich meine Spiegelung in Schaufenstern. Meine Silhouette passt sich meiner Stimmung an.

Kinästhetischer Samenstau

Mal wieder mache ich die qualvolle Erfahrung, die es ist, geniale Musik in einem zu vollen Club zu hören, die Muskeln gespannt, alle Sinne zum Bersten voll, hemmungslos mit der Musik gehen zu wollen und sich keinen Millimeter bewegen zu können. Eingemauert zwischen Schultern, Rücken, Bäuchen und Frisuren. Das Gegenteil von Tanzen, die große Unfreiheit, kinästhetischer Samenstau.

Gebauschte Röcke

Zweitausendelf kommt mir lang vor, vermag meinen Kopf satt auszufüllen, ein Jahr, das über seine Ränder hinausquillt wie ein wildgewordener Zaubertrank. Zweitausendelf ist bunt, ein Leben im Leben. So viele Flaggen wehen über seinen Zinnen, so viele Höflinge eilen hin und her, so viele Winde greifen mir unter die gebauschten Röcke, die Arme, mir könnten glatt Flügel wachsen. Alles ist in fast schon heiliger Bewegung, ein Vorbildjahr. Die Freude schleicht sich mal wieder herein wie Hochwasser, eine Pfütze bisher, die alles werden könnte, von knöcheltief bis Sturmflut. Im Erdgeschoss einer Frankfurter Westendvilla gibt es Gründerzeitfliesen, Fischgrätparkett und jede Menge Bücher. Eine mögliche Zukunft drängt sich auf leisen Sohlen an mich heran, unmerklich noch, wie die Freude, kaum mehr als eine sachte Berührung. Ich lese Verträge und Romane. Trinke Schnellzugkaffee. Sammle Ginkgoblätter. Kriege die Musik nicht aus dem Kopf. Ich klaube Glassplitter, bunt wie das Jahr, aus einer Plastiktüte, denke an Lederstiefel, Stierblut und das Auge des Sturms.

Baustellenland

Ich lebe im Land der heraklitischen Flüsse, zwischen den Baustellen, neben den Stühlen. Ich trage die feuerrote Perücke, Plateauschuhe, und tanze die Nacht in Stücke wie ein brüchiges, altes Seidenkleid. In ihrem spärlichen Rest schlafe ich bis Mittag, friere ein bisschen. Ich packe die Rosen und den Buchsbaum in Jute. Ich koche Tee. Ich sage ja. Ich will.

Oktoberjazz

Mit Alkoholmarkern, Acrylfarben und Worten male ich auf Papier, Leinen und Hirninnenwände. Ich bade in Herbstfarben, huldige dem Lebkuchenwetter, backe Knopfkekse. Die Nebelreise ins Land der Jazzer und Wölfe beschert mir Presse. Ich singe wieder öfter, singe Hannigan und Winehouse und Manson. Ich teste Rums und Hängematten. Über Holzdielen, Dachterrassen, Autobahnen und vielleicht ein paar Leichen geht es weiter Richtung Zukunft. Ein Buch behauptet, dass Frauen, die lesen, gefährlich sind. Ich rätsle, ob daraus irgendwas über schreibende Frauen abzuleiten ist.