Pfützenrührer

Ich war ein Anfasserkind, ein Schmutzfink, ein Pfützenrührer. Lass uns im Sommer mal gemeinsam in einer Pfütze rühren, sage ich, und meine Hände riechen nach Salbei. Ich komme gerade aus meinem Arkadien zurück, ein Hof auf dem Land, ein Gartenlaubenhimmel, grünes Elysium. Große Tassen mit Goldrand und Vogeldekor. Seelenbaumelplatz, Kaffeeundkuchenparadies. Hüfthoher Farn, Bleiglasscheiben. Ein Tag, der sich verdünnt in die nächsten Tage mischen wird, ein sanfter Unterton, der Geruch der Ruhe, Seligkeitskonzentrat.

Himmel und Hölle

Ich stehe neben mir. Reiche mir selbst die Mütze. Habe mich verloren im Weitwerden der Zeit. Es geht mir gut, zu gut, ich quelle über die eigenen Ränder, ein überschäumender Wassermalkasten, bunte Klecksereien überall auf dem Boden. Ich springe von einem Farbfleck zum anderen, einbeinig, zweibeinig, Himmel und Hölle. Ich hole einen Eimer Pfingstrosen ins Haus. Öffne die Post. Die Verlagsvorschau sieht gut aus im Druck. Die Nähmaschine schnurrt. Draußen baumeln Hummeln wie an schwankenden Fäden vorbei. Ich lasse schamlos grellen Dancepunk und ein ingwerhaltiges Heißgetränk in die Leere des Sonntagabends laufen. Sitztanze. Warte auf den Regen.

Traumarbeit

In der Sonne liegen ist Arbeit. An mir, am Hirnkasten, am Wahrnehmungsapparat. Die gute Art von Arbeit, Traumarbeit. Plötzlich bin ich zurück in meiner Kindheit, auf Korsika, Taubengurren, Wärme, nackte Haut. Später, während eines Frühstücks entdecke ich meine Liebe für Stückwörter: Goldstück, Werkstück, Kunststück, Klavierstück, Miststück, Fundstück, Glanzstück, Herzstück. Ich gehorche meinen Frühlingsgefühlen, die meiste Zeit. Kann den Winkel der Sonnenstrahlen auf meiner Haut fühlen, auf zehn Grad genau. Im Garten ein Rest Asche, neben meinem Bett ein Baseballschläger.

Sonnenwarm

Ich trete auf ein Stück Schneiderkreide, es bricht in zwei Hälften. Swimmingpoolfarbene Acrylfarbe hat mir eine Haarsträhne verklebt, ich muss sie abschneiden. Ich klebe Papierfetzen auf eine bemalte Leinwand. In Schloss Neuburg an der Kammel wird Kaffee serviert, wir haben den Portraitsaal ganz allein für uns. Der Flügel im Foyer, der grüne Salon rechts, das Kaminzimmer links, Wandteppich, antikes Mobiliar, eine Servicekraft für jeden, Millionäre könnten keinen stilvolleren Sonntagnachmittag verbringen. Altehrwürdige Blassgesichter, sechzehnhundertzwölf, sehen uns beim Hantieren mit Milchkännchen und Silberlöffel zu. Draußen äsen die Damhirsche.
Ich bin in München, trinke dunkles Bier, schnuppere mich durch den Viktualienmarkt und pflege Konversation mit den Gänsen im Englischen Garten. Ich komme nach Frankfurt, nehme die Sechzehn Richtung Ginnheim. Elena hat schon ein Bett für mich gemacht. Zurück in Ulm, ich bringe Florian Heinke mit, trage das silberne Paillettenkleid, tanze. An den Wänden Beamervisuals, insektenartig, mikroorgamismenartig, codig, maschinenhaft. Wenn das Wetter es zulässt, ein Morgen im Garten, Islandmohn, Buschwindröschen. Wenn ich die Augen schließe, weiß ich, wie sich ein Samenkorn fühlt, dicht unter der Erde, sonnenwarm.

Extratief

Das Aprilwetter im gelben Regenmantel durchstiefeln. Nicht alles perlt an mir ab. Ein Zweifel dringt durch bis auf die Haut. Ich fröstle, bis ich merke, dass er nicht aus Angst, sondern bloß aus Ungeduld besteht. Ich wische ihn weg, stopfe das Buch in meiner Hand unter den Mantel und suche mir einen Weg durch extratiefe Pfützen. Grüble, warum ich diese niederbügelnde Melancholie ausstrahlen kann, die mir nur auf Fotos richtig bewusst wird. Frage mich, ob das Element des Zufalls für das Schöne unabdingbar ist. Überlege, warum ich abstrakter denke als mir lieb ist. Warum ich nicht einfach mal an Pfannkuchen denken kann. Oder an Serifenschriften. Daran, dass die Mülltonne rausgestellt gehört.