Eistanzen

Ich verfasse das Glaubensbekenntnis des beherzten Deterministen. Physikerästhetik. Nur weil wir nicht die Rechenpower haben, auch nur die nächsten fünf Minuten der Moleküle in einer Kaffeetasse zu berechnen, heißt das ja nicht, dass sie nicht durchaus alle ihren Gesetzen folgen. Anschließend lege ich meiner französischen Freundin die Verwandtschaft von Resignation und Gelassenheit nahe.
Ich freue mich schon jetzt aufs Tübinger Bücherfest, auf Platanen, auf Frühsommernächte. Lese Helen Oyeyemi, trinke neunjährigen Banyuls. Bestaune die weiße Weite der Stuttgarter Stadtbibliothek und lasse ein Autogramm da. Später begebe ich mich aufs Eis, metaphorisch, zwischenmenschlich, und wortwörtlich, auf Schlittschuhen. Wo ich die bessere Figur mache, bleibt fragwürdig, hier wie dort teste ich Grenzen, auf der Nase landen könnte vorprogrammiert sein. Deterministisch. Trotzdem, was ich jetzt brauche, ist keine Rechenpower, sondern einen Hauch mehr Beherrschung als Draufgängertum.

Medizin

Manchmal gehen Nächte verloren. Werden eingetauscht gegen ein Glas Gummischlangen und einen Kopf voll Mittelmaßmusik. Hin und wieder gibt es einen abgebrochenen Fingernagel oder eine halbwegs brauchbare Erinnerung dazu. Die Nacht ist jedenfalls weg. Die Gummischlangen, rot, grün, gelb, kannst du essen, aber wacher machen sie dich nicht. Satter auch nicht. Du akzeptierst, dass die Leere dazugehört. Dass dieser Nichtort dir erst Richtung gibt. Du liegst auf dem Bett, keine Musik, auch wenn die eine oder andere Saite nachklingt. Wartest auf die Stille. Verabreichst dir gezielt ein Nichts, die Zimmerdecke nicht aus den Augen lassen, Nüchternheitsdroge, Medizin gegen den Überfluss.

Mehlstaubkörner beschriften

Auf der Stereoanlage läuft Keith Jarrett, Hifana und verschiedene Chiptunes. I cared not for consequences but wrote, lese ich bei William Blake. Es gibt Fastfood mit Rosenkohl. Ich bediene ein Bildbearbeitungsprogramm, wähle eine Schriftart aus. Werde vom plötzlichen Horrorgedanken verfolgt, eines Morgens in einer Welt aufzuwachen, in der alles beschriftet ist. Auf jedem Regal steht in klaren Lettern: Regal. Auf jedem Löffel: Löffel. Mehlstaubkörner mikroskopisch klein beschriftet: Mehlstaubkorn. Mein Blick sucht fieberhaft nach Dingen, die ich nicht benennen kann.