Ein Streifen Pink zwischen der Autobahnbegrünung und den Regenwolken. Es ist wieder viel zu früh und viel zu dunkel. Die Leitpfosten reflektieren weiß. Dazwischen strahlt ein Paar Fuchsaugen, leuchtorange. Ich sehe dich, Rothaarkollege, auch wenn ich ansonsten ein Wrack sein mag. Verwirrt, Schlaflosigkeit, ein Morgen wie eine Wunde. Ich bin ein vierdimensionales Puzzle, ein verdammtes Puzzle, das sich selbst zusammensetzen muss. Kriegen wir. Kriegen wir schon hin, du, Fuchs, und ich.
Stuckungeheuer
Als ob ich in einer Bar säße und unter mir fährt die Metro durch. Weingläser zittern. Ich fühle die Buchmessevibrationen auch ohne dass ich hingehe. Fühle sie, auch wenn ich stattdessen im unbeheizten Ballsaal eines Schlosses herumhänge, Fischgrätparkett, Stuckungeheuer. Auch wenn ich in der Badewanne untertauche, ganz tief. Ich tippe, lösche, tippe. Vermisse das Sandalentragen. Bearbeite Farbe mit den Fingerspitzen, wenn mir der Pinsel zu indirekt wird. Spiele mit Fotofiltern, gehe hungrig ins Bett, warte auf ein Päckchen vom Konkursbuch Verlag.
Manchmal, um sieben Uhr morgens, nach einer Regennacht. Wenn die Landstraße das Pflaumenblau des Himmels spiegelt. Wo der Asphalt am Horizont anliegt, geht er nahtlos ins Firmament über, vollgesaugt mit der Pflaumentinte. Als wäre die Straße nur ein Nebenarm des Himmels. Als könnte ich hineinrasen in das große Dunkellila. Hallo laute Musik, hallo Gutenmorgenkitsch.
Bleistiftschraffur
Mein Text, an dem ich seit einiger Zeit arbeite, hat mir weh getan. Zum ersten Mal so richtig. Jetzt weiß ich, er wird leben, weiß ich, es geht ihm gut. Sommertage, Freibad, Sterneküche. Ein schwarzes Jagdgewehr, ich bin verblüfft, wie leicht mir das Abfeuern fällt. Weiterschippern auf dem großen Fluss, in den Herbst hinein, ich will Kekse backen. Ein Mann mit Zucker und Acrylfarbe im Haar, Kokosmilch, Quellcode, Nächte mit und ohne Samthandschuhe. Bleistiftschraffurgespräche, Filmkritiken und Parteiprogramme, Pappbecherkaffee, Pailletten an den Stiefeln. Du hast mal krasse Schuhe, ruft mir ein Besoffener zu.
Vierzig Schläge
Ich stelle ein Metronom auf vierzig Schläge pro Minute, höre zu und warte, wie lange ich den Takt aushalte. Zum Malen, abends, mache ich die Baulampe an. Einen Marshmallow essen, stelle ich fest, kann, richtig gemacht, denselben Effekt haben wie eine Zigarette, das Lösen des Geistes, das Freiwerden im Kopf. Ich schneide Gladiolen auf dem Feld, irgendwo in der Nähe ist ein Maislabyrinth. Manchmal, das weiß ich jetzt, hat eine leichtfertige Entscheidung wie die zwischen Müsli oder Toast zum Frühstück einigermaßen essentielle Folgen. Und jede Nacht zaust lautstark ein Igel durch den Garten.
Verloren gegangen
Extrem selten, dass ich ein Buch zweimal lese. Ein Murakami hat es in die Wiederholung geschafft. Dance, dance, dance. Ich nehme den Vierhundertseiter zur Hand, und ein Glas Whiskey. Hatte vergessen, dass auch der Protagonist gleich im ersten Kapitel neben einem Glas Whiskey erwacht, schmunzle. Was ist das für ein Phänomen, denke ich, dass ich, verloren gegangen, am leichtesten in meine Welt zurückfinde, wenn ich den Umweg über eine fremde Welt nehme.
Der Sturz in die Sommerferien gelingt mir aus halsbrecherischer Höhe. Hole mir zwar blaue Flecken, bleibe aber ganz. Im Kopf verhallt das Sommerfesttreiben, Achterbahn, Kettenkarussell, Holzschwertgeklapper, Sonnenbrandjammern, Grillkohleknistern. Mückenstiche heilen ab.
Vom Einkaufen nach Hause, langsam, barfuß über den heißen Asphalt. Kinder spielen auf der Straße. Sie werfen einen Ball, rufen hektisch durcheinander. Weg, weg, weg. Sie rennen. Gleich geht sie hoch, die Bombe. Der Ball, die Bombe, landet genau neben mir. Unbeirrt gehe ich weiter, lasse mich von den Kindern in die Luft sprengen.