Trockenes Brot, so hart, dass es quietscht zwischen den Zähnen. Zubeißen, heftig zubeißen, ohne dass jemand Aua schreit. Ich träume von einer Flutwelle, die mich fortreißt. Unter deren Wucht ich zu kämpfen habe, nicht ohnmächtig zu werden. Ich verliere den Kampf schließlich, erwache Wochen später, gerettet, aber mit zerschlagenem Körper. Erwache nochmals, bin wieder ganz. Tried to save myself, but myself keeps slipping away, skandiert Trent Reznor.
Tage später, Sofalesung in der Galerie Schrade, prall gepacktes Publikum, nicht nur auf Stühlen, auch auf Treppenstufen, Hockern, Kissen, man lehnt sich an Wände und aneinander. Auch die Kunst darf mal angefasst werden. Danach im nächtlichen Rudel durch die Stadt ziehen, Futtersuche, Wortwitz, Phosphornachglühen. Wir fressen Pinguine im Origamizoo, trinken Ramune und japanischen Whiskey. Sommer trotz Nachtfrost, manchmal klingt ein Atmen wie das Meer.
Phosphor und Zigarettenrauch
Lesung in der Galerie Schrade in Ulm
Fee Katrin Kanzler und Marco Kerler
am 28. Februar 2014
20 Uhr – Eintritt 5 Euro
mit Barbetrieb, Kunst & Musik aus der Dose
Schädelbasislektionen
Ich gehe ans Fenster, Lichterketten, Eisblumen auf Autodächern. Später rausche ich über die Schnellstraße, vorbei an Containerumschlagplätzen, Windrädern, Baustellen. Dort drüben der Tunnelbau, zwei große Mäuler im Hang, unwirkliche Lichtverteilung. Im Schein riesiger Strahler wird gearbeitet, die zwei Röhren leuchten von innen heraus. Zurück im Bett, nachts Traumüberflutung, die erste Frühlingsahnung. Ich koche Tee, schiebe eine Entenbrust in den Ofen. Durs Grünbein erteilt mir Schädelbasislektionen.
Orkanverliebt
Orkanverliebt ist es schwer, die Ruhe nach dem Sturm als etwas Gutes willkommen zu heißen. Das Wissen, dass er mich zerfetzt hätte, früher oder später, überzeugt mich nicht. Vielleicht wird die Müdigkeit mich überzeugen. In einer Stunde. Bald. Mit dem Brotmesser helfe ich Uwe Timm in meine Welt, Vogelweide, zerschlitze die Fruchtblasenfolie um das Buch. Es riecht, wie ein Buch riechen muss. Zu kraftlos zum Lesen jedoch, und wundere mich, dass Tagebuchtippen noch geht.
Ganzzahligkeit
Harre aus im Dunkeln, lautlos, aber heiter. Jägerin, die weiß, dass sie Beute machen wird. Musik, nicht laut, nicht leise, präzise gemeißelte Klänge, Ganzzahligkeit. Fliege mit den Nachtvögeln. Träume abstrakte Kunst, öffentliches Ärgernis und Sommerwiesengrün. Im Morgenmantel schaue ich aus dem Küchenfenster. Seit vier Stunden wach, schon gearbeitet und trotzdem noch verpennt. Draußen sehe ich den kalt schimmernden Nachmittag, pastelligen Raureif auf den Nachbargärten. Die Wege sind gepflastert mit bunten Klebenotizen, Zantedeschien, Leopardenfell und Eintrittskarten, erste Reihe, Zukunftszirkus.