Alles findet sich irgendwann wieder. Die verlorene Nähnadel meldet sich als kleiner Schmerz im Lammfell des Hausschuhs, als ich hineinschlüpfe. Morgen habe ich eine Verabredung im französischen Viertel und frage mich, ob nicht alles, was uns im Leben widerfährt, im Grunde ein Wiederfinden ist. Platon würde vielleicht zustimmen. Und Heidegger würde möglicherweise mit einem charmanten Lächeln hinzufügen, dass es nicht nur im Grunde ein Wiederfinden ist, sondern auch ein Wiederfinden im Grunde.
Ich klebe den zwei alten Herren zärtlich ein paar Pflaster übers Maul. Die Musik will etwas sagen. Faurés Chansons sind unverschämt präsent in meinem Zimmer. Wieder spult die Filmszene vom buntgläsernen Wintergarten, in den ein Pfauenschrei dringt, durch meinen Kopf. Diese nie gedrehte Filmszene. Das Wintergartenzimmer gibt es nur irgendwo hier, bei mir. Ich bin gespannt, in welcher Form ich es eines Tages wiederfinden werde.
Als Maxim mit »Killing Culture« und »Carmen Queasy« einfällt, erschrecke ich fast. Money making is a wonderful thing. Was sagt Platon jetzt? Ich nehme das Pflaster ab, doch er schweigt. Aber weil es kein beleidigtes Schweigen ist und der Alte versonnen lächelt, mache ich mir keine Sorgen. Prodigy bricht mit »Girls« dazwischen. Ich will tanzen. Fächerndes, zuckendes Licht auf geschminkten Gesichtern sehen. Aus einer dunklen Ecke dringt ein dämonisches Grinsen. Ich ahne nur, wem es gehört.
Melange am Mittwoch
Musikalische Einlage im Tübinger Vorstadttheater
Poker
Manche würden vielleicht sagen, dass die Welt mich wieder hat, manche, dass Regen schön macht, manche, dass zwei Elstern für Glück stehen. Ich sage nichts und koche seit langem wieder, so scheint es, meinen liebsten Chaitee. Der Mann aus Kiel ist verschwunden. Und Schiller in der Federlese begriffen. Ich lerne Poker. Das ist keine Metapher.
Es gibt Menschen, die ihre volle Größe noch nicht erreicht haben. Und sie werden sie vielleicht nie erreichen. Die sind immer noch schöner als solche, die sich von vornherein alles Mögliche selbst amputieren.
Sadisten müssen nur beobachten können. Am meisten quälen die Leute sich selbst.
Die Elstern, die mein Fensterbrett besuchen, sind nicht nur schwarz und weiß, sondern auch kobaltblau, grün und pink, wenn das Licht es will. Ich gehe einen Schritt weiter in den sanften Abend. Karten und Menschen aufmischen, ein Spiel für die Nacht. Bis bald.
Ritterspiele in Horb
Nachteule
Kleine Nachteule, sagt seine Nachricht und blinkt. Er selbst hat das Netz längst wieder verlassen, der Nachrichtenschreiber, und schläft. Ein paar Sekunden lächle ich das Nachrichtenfenster an. Mathelehrer ist er. Wollte wohl nicht mehr sagen als das, kleine Nachteule.