Eisbrecher

White Russian Nights nennt sich die Veranstaltung. Abgesehen vom White Russian, den wir diesmal zu Gunsten anderer Getränke links liegen lassen, gibt es jede Menge klobiger Sofas, durchscheinende Vorhänge und Schiffsplanken, sogar zwei Ölfässer und ? hin und wieder russischsprachigen ? House, Techno und Hip Hop. Ich färbe meine Chamäleonhaut, habe einen passenden Ton für jedes Ambiente, und sollte einer fragen, werde ich mich als Tatjana oder Natascha vorstellen. Dass anderthalb Stunden nach Einlass noch niemand tanzt, wundert mich. Auch der Discjockey schaut zerknirscht, zieht eine Strippe nach der anderen, nichts tut sich. Die russischen Mädchen stehen am Rand und warten. Irgendwann habe ich genug. Ich werfe mich mitten in den Raum, auf die leere Tanzfläche, und spiele den Eisbrecher. Genieße die Solomomente, schmiege mich in die Musik. Die Beats, hart und simpel, durchkämmen meinen Tanz und alle sehen zu. Publikumsgeile kleine Schlampe oder mutiges Entlein, letztlich ist es dasselbe. Und drei Minuten später wippen, wie erwartet, die Hintern der Russinnen neben meinem, sie tanzen einen verhaltenen Entenkreistanz. Als der Kreis sich öffnet, geselle ich mich eine Weile hinein. Manche der Mädchen lächeln mich an, andere meiden meine Blicke wie das Feuer, ich tanze das Kollektiv vorsichtig an, wir machen Konversation in Körpersprache. Dann schwinge ich mich zurück in meine Soloposition, wechsle wieder in meine eigene Gangart und zertanze meine Nylons. Dass mein Ginger Ale auf magische Weise niemals leer wird, liegt an Duweißtwem, der mit seinen zwei Long Islands und der roten Lederjacke dasteht und jede Bewegung im Raum analysiert. Er schaut bodyguardmäßig drein und ahnt vielleicht, dass ich später gnadenlos zurückanalysieren werde.