Dreiflüglig

Manche Geschenke haben eine lange Inkubationszeit. Manche Geschenke verstehst Du erst mit der Zeit. Ich nehme den schwarzen Pfeil in die Hand, der Bogen steht vorsichtshalber in einer anderen Zimmerecke. Weiße Schrift umspannt den Pfeilschaft, bis hin zu einer breiten Linie, die ungefähr den Punkt markiert, der gerade noch zu sehen wäre, wenn der Pfeil einen Brustkorb durchschlüge und so steckenbliebe, dass seine Spitze wieder kurz vorm Austritt stünde.
Zum ersten Mal wird mir klar, dass ich diese weiße Schrift, diese kleinen Worte tatsächlich jemandem durchs Herz jagen könnte. Dass die Worte dann in ihm wären, tiefer als gut für ihn ist und auf pervers physikalische Weise. Eine materialisierte Metapher. Ich weiß nicht, warum dieser Gedanke mich gefangen nimmt.
Der Pfeil ist handgemacht. Ich erinnere mich an meine Verblüffung beim Auspacken, als mir nach einigem Drehen und Wenden aufging, dass der Pfeil nicht einfach nur verziert wurde, sondern von Grund auf für mich gemacht. Über seiner Schwanenbefiederung trägt der schwarze Schaft einen dreifachen Schmuck aus Pfauenfedern. Kein schlechtes Pendant für die dreiflüglige, geschliffene Stahlspitze.