Barockbeichtstühle

Ich schleppe einen Arm voll gut erhaltener Geohefte aus den Achtziger Jahren nach Hause. Schulaltpapier, eine Fundgrube erster Güte für passionierte Collagisten, denke ich. Noch am selben Nachmittag fahre ich nach Neresheim und friere mir, ehrfürchtig Fresken und Orgel bestaunend, in der Klosterkirche den Hintern ab. Unwirklich, prachtbauerschlagen, die massive, christliche Leere, wir proben ein Stück von Jakob Ullmann, das siebzig Minuten dauert. Proben nochmal und nochmal. Zwischendurch müssen wir nach draußen, während die Mönche ihre Andachten halten. Bei der Vesper aber, im Vorhof ist es mondig, schleichen wir dann doch nach drinnen, Steinstufen, Goldranken, Barockbeichtstühle, und die Stimmen der zehn, zwölf Benediktiner surren wie ein Bienenschwarm. Als die Schwarzgewandeten zurück in ihre Zellen schlurfen, alle Türen verschließen, alle Lichter löschen, starten wir die Aufnahme. Nur auf der Empore brennen noch ein paar Funzeln, das bisschen Licht verliert sich in der Weite des Kirchenschiffs. Ein Organist, eine russische Orgelstudentin, ein Komponist, ein Techniker, ich und siebzig Minuten außerweltlicher Konzentration. Thriller sind ein Dreck dagegen. Es ist kurz vor Mitternacht, als wir die Mikrofone einpacken und die Orgelmanuale wieder abdecken.