Abrotten

Donnerstags, freitags. Wenn Du Dir zwölf bis vierzehn Stunden am Seminar in Stuttgart um die Ohren schlagen musst, samt einer dreistündigen Mittagspause, die Deine Kollegen zu Hause verbringen, Du jedoch irgendwo zwischen Bahnhof und Feuersee hängend, rastlos im Großstadtsumpf abrottend, weil Deine Fahrt nach Hause und zurück allein drei Stunden dauern würde, wenn Du also tageweise ohne Oase herumwanderst, zwischen Buchhandlung und Buchhandlung, zwischen Starbucks und Schuhgeschäft, mal hier Irish Coffee, mal dort Sahnetorte, passiert es einfach. Die Stadt wird Dein Wohnzimmer.
Entspannen musst Du irgendwann, also benutzt Du die Innenstadt wie ein Sofa. Deine Lounge hast Du in einem Sushiladen im ersten Stock eingerichtet. Da lässt Du auch mal Deine Habseligkeiten, Tasche, Mantel, Bücher, liegen und kommst erst nach einer halben Stunde Sumpfexkursion wieder. Maki und Nigiri warten bereits auf Dich, die kleinen Asiatinnen bringen Dir lächelnd Deinen Litschisaft und die Welt ist in Ordnung. Dein Kinderzimmer erstreckt sich über die gesamte Einkaufsmeile, hier darfst Du alles ausprobieren und anfassen, solange Du es wieder brav zurückstellst. Rolltreppefahren und Parfumtesten gehören zum üppigen Spielplatz der Eitelkeiten. Dein Badezimmer ist nur ein paar Straßen weiter, im staatlichen Seminar für irgendwas. Leider fehlt die Badewanne. Dafür enthält es eine kleine Bibliothek und einen Kaffeeautomaten. Immerhin. Jedes Badezimmer sollte eine kleine Bibliothek haben.